28.05.2021

Serie zum Coronavirus

«Eine Motzkultur ist in unserer Branche verbreitet»

Trendgastronom Michel Péclard öffnet am Montag auch die Innenräume seiner Restaurants. Er ist dafür nur dankbar, wie er in Folge 176 unserer Serie sagt. Ein Gespräch über die letzten Monate und die bevorstehende Eröffnung.
Serie zum Coronavirus: «Eine Motzkultur ist in unserer Branche verbreitet»
«Ich freue mich wie ein Kind aufs Meer», sagt Gastronom Michel Péclard. (Bild: zVg)
von Matthias Ackeret

Herr Péclard, was bedeutet die Öffnung der Innenräume der Restaurants ab Montag für Sie?
Das bedeutet uns enorm viel. Unser Arbeitsbetrieb wird sich wieder so normal wie zuvor anfühlen. Auch wenn gewisse Massnahmen noch einzuhalten sind, freuen wir uns sehr. Dies gilt nicht nur für unsere Gäste, sondern auch für uns. Kurz: Wir sind überglücklich.

Haben Sie für dieses Datum etwas Spezielles vorgesehen?
Kaum waren die News durch, haben wir zum Telefon gegriffen und unsere Lieblings-Live-Band aus St. Tropez engagiert. Diese wird die ganze nächste Woche positive Vibes in unsere Restaurants swingen. Start ist am Montag im Fischer's Fritz, dann gehts weiter in die anderen Betriebe. Ich freue mich wie ein Kind aufs Meer.

Wie haben Ihre Gäste auf die bundesrätliche Ankündigung reagiert?
Durchs Band positiv. Wenn man nun auch bei Regen ins Lieblingslokal darf, dann ist die Welt schon wieder ein gutes Stück in Ordnung.

«Wir sind perfekt vorbereitet»

Welche Vorsichtsmassnahmen müssen Sie in Ihren Restaurants vornehmen?
Keine, da wir diese bereits schon im Dezember vorgenommen haben. Wir sind perfekt vorbereitet und haben die Massnahmen nach Vorschrift umgesetzt. Das haben wir jetzt richtig drin und es stellt uns vor keine weiteren Probleme.

Wenn Sie auf das vergangene halbe Jahr zurückschauen: Wie gross ist der Schaden, den Sie mit Ihren Restaurants erlitten haben?
Tja, der Schaden beläuft sich auf 100 Prozent Ausfall. Ist schon grausam, wie das bei 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz schnell enorme Geldsummen verschlingt. In zwei, drei Betrieben haben wir dann ungefähr 5 Prozent des Umsatzes mit Take-away gemacht. Als dann aber die Terrassenöffnung kam und die erste Woche so schönes Wetter war, erzielten wir Rekorde wie selten zuvor. Daraufhin hat der Wind – beziehungsweise das Wetter – aber ziemlich gedreht. Ohne Kurzarbeit, Härtegelder und glücklicherweise einer Versicherung während des ersten Lockdowns wären wir vermutlich nicht mehr da.

Waren alle Restaurants gleich betroffen?
Wir hatten in unseren Open-Air-only-Betrieben Mönchhof und Pumpstation ein wenig Take-away. Das macht den Braten alles andere als feiss, hat aber einige von uns aus der Corona-Depression herausgezogen. Das ist mehr wert als die paar «Stütz», die dabei zusammenkommen sind.

«Wir wurden sehr gut behandelt»

Inwiefern wurde der Schaden durch staatliche Hilfsgelder abgefedert?
Der Schaden wurde meines Erachtens sehr gut abgefedert. Was mich aber geradezu begeistert, ist die Art und Weise, wie alles organisiert war. Das ging unglaublich schnell und gleichzeitig sehr koordiniert. Der Covid-Kredit war in 2 Minuten und 43 Sekunden auf unserem Konto, sofern man sich korrekt angemeldet hat. Danke Bund, danke Kanton, danke Stadt Zürich und danke allen Gemeinden. Wir wurden sehr gut behandelt. Und es macht mich froh und stolz, in diesem Land leben und wirtschaften zu dürfen. Man kann das nicht genug sagen.

Wenn Sie in der Branche herumhören, wie ist die Stimmung unter Ihren Kollegen?
Eine gewisse Motzkultur ist in der Branche leider ziemlich verbreitet. Der «die in Bern oben»-Polit-und-Beamten-Argwohn auch. Ich vermute, dass einige meiner Kolleginnen und Kollegen aber mehr an Härtegeldern bekommen hatten, als wenn sie den Betrieb offen gehabt hätten. Zumal mit Vierer-Tischen und Abständen ja nicht eine 100-Prozent-Auslastung möglich gewesen wären. Die Härtegelder wurden auf alle Fälle schnell entrichtet. Aber auch dazu musste man halt ein paar Formulare ausfüllen, was einigen vermutlich schwerfiel. Was mich ärgerte, sind Betriebe, die sich unrechtmässig bereicherten. Ich hoffe, das wird noch untersucht. Die meisten freuen sich aber wie wir, kaum einer hat den Bettel hingeschmissen.

Werden viele Restaurants nach der Pandemie schliessen müssen?
In meinem näheren Branchenkollegen-Umfeld bis jetzt keine wegen der Pandemie. Ich könnte mir aber vorstellen, dass viele Betriebe, die vorher schon am Existenzminimum waren, sich nun auf Corona berufen, um damit ihren Ruf zu schützen und elegant aufhören können.

Und wie sieht es bei Ihnen aus?
Wir haben letztes Jahr ungefähr 6,5 Millionen Franken investiert, um positiv in die Zukunft zu gehen. Den zweiten Lockdown haben wir aber nicht erwartet. Ich selbst habe privat sehr viel Geld in die Firma investiert, um die Liquidität zu gewährleisten. Dies habe ich aber gerne gemacht, um die Zukunft unseres Unternehmens zu sichern. Ich bin überzeugt, dass wir erfolgreicher sein werden als vor der Krise.

«Durch die Krise hat sich alles beschleunigt»

Haben sich die Gastrotrends während des letzten Jahres stark verändert?
Und wie. Ich denke, durch die Krise hat sich alles beschleunigt: Weg vom vielen Fleisch und Fisch, hin zu vegetarischem und veganen Essen. Ich finde es unglaublich, wie wir diese Trends bereits jetzt in unseren Betrieben merken. Produkte, die früher absolute Renner waren, werden plötzlich nicht mehr verlangt, dafür andere 100-mal besser. Der Mensch achtet immer mehr darauf, was er isst und wie ein Produkt hergestellt ist. Regionale Herkunft steht plötzlich wieder im Fokus.

Haben Sie die Lust am Beizen nicht ein bisschen verloren im vergangenen Jahr?
Keine Sekunde, «Beizen» ist mein ganzes Leben. Ich freue mich wie ein Kind auf die Eröffnung unseres neuen Lokals NZZ am Bellevue und habe schon wieder zwei neue, wahnsinnig spannende Projekte, die ich momentan mit Ideen fülle.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Zeit?
Dass von heute auf morgen der Existenzverlust droht, das war ziemlich heavy. Ich stand vor vielen Jahren schon mal vor dem Aus. Aber so fremdgesteuert – im Gleichklang mit der ganzen Welt – diesen wahnsinnig verunsichernden März 2020 erleben zu müssen, das hat mich und uns sehr geprägt. Was mir aber positiv in Erinnerung bleiben wird, ist, wie der Staat diese Krise gemeistert hat und es immer noch tut.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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