25.05.2020

Serie zum Coronavirus

«Ich hatte keinen ausgeprägten Kinderwunsch»

Folge 49: Mark van Huisseling hat ein Buch über Väter und ihre Kinder geschrieben. Wie erlebt er die Coronazeit mit seinem Sohn?
Serie zum Coronavirus: «Ich hatte keinen ausgeprägten Kinderwunsch»
Journalist und Autor Mark van Huisseling lebt in Zürich. Er hat einen kleinen Sohn. (Bild: markvanhuisseling.ch)
von Matthias Ackeret

Herr van der Huisseling, Sie haben soeben das Buch «Mann, Baby, Mann» veröffentlicht. Ist dies nicht eine wahnsinnig schwierige Zeit für eine Buchpublikation?
Ein Buch hat einen Vorlauf, der mindestens so lange dauert, wie eine Schwangerschaft. Die Sache mit dem Timing ist also nicht einfach. Davon abgesehen: Ein Autor, der in meiner Gewichtsklasse boxt oder schreibt, verkauft von einem Sachbuch in der Schweiz zirka 1000 bis 1500 Stück. In schwierigen Zeiten sind es vielleicht 990 bis 1490. Oder 1010 bis 1510. Wer weiss das schon und wen kümmert’s? 

Sie beschreiben in Ihrem Buch die Geschichte von Männern und ihren Kindern. Wie kamen Sie auf dieses Thema?
Zwei Gründe: a) Selbsterfahrung, ich wurde zum ersten Mal Vater mit fast 52. Und b) fussend auf meiner Einschätzung des Buchmarkts – es gibt kaum Bücher über Kinder für Männer. Also habe ich entweder eine Marktlücke entdeckt oder ein Buch geschrieben, dass es nicht braucht, weil Männer sich nicht für Kinder interessieren.

Inwiefern unterscheidet sich die Männersicht auf ein Kind von derjenigen einer Frau?
Frauen lesen spätestens in der Schwangerschaft Werke wie «Babyjahre» von Remo Largo von Buchdeckel zu Buchdeckel, darf man annehmen gestützt auf anekdotische Befragungen. Männer blättern frühestens, wenn sie zum ersten Mal alleine mit ihrem weinenden Baby sind im Schlagwortverzeichnis von «Babyjahre» – auf der Suche nach einer Antwort auf «Kind hört nicht auf zu schreien, was tun?»

Sie haben selber einen Sohn. Wollten Sie immer einen haben?
Nein. Wie rund 90 Prozent der Männer hatte ich keinen ausgeprägten Kinderwunsch. Allenfalls einen latenten Familienwunsch. Der Unterschied wird in meinem Buch erklärt. Männer behandeln in der Regel die Frage «Kind oder nicht?» nicht proaktiv. Sondern «lassen es passieren». Weil sie die Partnerin nicht verlieren wollen. Oder die Frage zu gross ist, um sie zu beantworten. In meinem Buch, nebenbei erwähnt, geht es zur Hauptsache um solche Dinge und nicht um weinende Babys. Dies aus der Überlegung heraus, Männer lesen lieber über Männer und ihre Frauen als über Kinder und ihre Hamster.

Wie haben Sie mit Ihrem Sohn die ganze Corona-Zeit miterlebt?
Meine Frau und ich haben versucht, so wenig wie möglich an seinem normalen Tagesablauf zu ändern. Er ging beispielsweise weiter dreieinhalb Tage in der Woche in die Kita, die offen blieb, und dies obwohl wir nicht in sogenannten systemrelevanten Berufen tätig sind, sondern in eher unwichtigen.

Hat er realisiert, was gerade abläuft?
Kaum. Ausser dass er oft zu hören bekam, «geht leider nicht, wegen der Krankheit». Was oft sogar stimmte.

Inwiefern wird Corona das Familienleben, aber auch Partnerschaften verändern?
In meinen Augen nicht signifikant oder jedenfalls nicht von innen her kommend, falls die Familie respektive Partnerschaft zuvor in einem guten Zustand war. Ich sage immer: Ich kenne niemanden, der an Covid-19 erkrankt ist. Und ich kennen niemanden, der jemanden kennt, der erkrankt ist. Ich kenne aber einige Leute, die unter den Folgen der ergriffenen Massnahmen leiden, besonders wirtschaftlich. Glücklicherweise ist es bei uns nicht oder noch nicht soweit.  

Wie haben Sie sich durch die Vaterschaft verändert?
Das Gute ist, Vaterschaft schafft Beheimatung und gibt einem einen guten Grund, weshalb man jeden Morgen aufsteht und versucht, seine Dienstleistung zu verkaufen. Das nicht so Gute: Man hat weniger Zeit für andere wichtige Dinge, die man – oder jedenfalls ich – gerne tut, zum Beispiel im Cafe sitzen und Medien zu konsumieren oder drei verschiedene, je dreieinhalb Stunden dauernde Mitschnitte von Grateful-Dead-Konzerten von, sagen wir, August 1984 miteinander zu vergleichen. 

Sie sind auch noch als Journalist, Autor und Corporate-Unternehmer tätig. Inwiefern wird die Krise unsere Branche verändern?
Das Newsgeschäft, in dem ich kaum tätig bin, profitiert von Krisen, weil das Informationsbedürfnis zunimmt. Die Einnahmen von Verlagen et cetera aus Werbung gehen leider weiter zurück, vor allem im Nice-to-Have-Bereich, in dem meine Beilagen (WW Magazin der Weltwoche, Luxe der Finanz und Wirtschaft) angesiedelt sind. Auch grössere Kommunikationsplattformen wie Kundenmagazine, Firmengeschichten in Buchform und ähnliches sind zurzeit schwer verkäuflich.

Spüren Sie bereits wieder Licht am Ende des Tunnels?
Leider nicht. Stattdessen erlebe ich, wie schon in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008, dass das Gerede darüber, wie nachhaltig Unternehmen in ihrer Kommunikation aufgestellt seien, tatsächlich bloss Gerede ist. Egal, wie viele Jahre man mit einem Magazin oder etwas Ähnlichem gutes Geld verdient hat – beim ersten Anzeichen von nachlassenden Erlösen wird das Ding zugemacht. Investitionen haben auch zurzeit keine Konjunktur.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Mein Sohn Jim, der knapp dreieinhalb Jahre alt ist, und ich haben zum ersten Mal eine Schnittmenge, wenn es darum geht, was wir für Musik hören im Auto: Den Song «Wir sind die Roboter von Kraftwerk» nämlich.

 

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Mark van Huisseling, «Mann, Baby, Mann. Wenn aus Männern Väter werden», Stämpfli Verlag, 120 Seiten, erhältlich unter mark@markvanhuisseling.ch (37 Franken, inklusive Versand und Signatur)


 

Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier



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