20.08.2017

Jim & Jim

«Die Generation Z tickt völlig anders»

Wie reagieren Digital Natives auf verschiedene Werbeformen? Dieser Frage geht die aktuelle Jugendstudie der Agentur Jim & Jim nach. Managing Partner Fabio Emch äussert sich zu den teilweise überraschenden Ergebnissen und erläutert, weshalb diese Zielgruppe alles andere als eine homogene Masse ist.
Jim & Jim: «Die Generation Z tickt völlig anders»
«Je genauer die Zielgruppe aufgeschlüsselt ist, desto effizienter kann der Werbefranken eingesetzt werden», sagt Fabio Emch, Managing Director bei Jim & Jim. (Bild: Jim & Jim)
von Tim Frei

Herr Emch, der «Skeptiker» ist eine «harte Nuss für Werbetreibende», zeigt die neue «Jim & Jim»-Jugendstudie (persoenlich.com berichtete). Inwiefern?
Der «Skeptiker» hält sich für zu «cool», um auf Werbung «reinzufallen»: Da er sich selber informiert und besser gebildet ist als die anderen Werbetypen, ist er gegen klassische Werbung viel eher resistent. Dafür lässt er sich von informativen Inhalten – zum Beispiel auf Blogs – überzeugen. Der «Skeptiker» ist aber sehr wichtig für werbetreibende Firmen.

Weshalb?
In der Regel ist er selber ein Meinungsmacher, der bestens über den jeweiligen Brand informiert ist. So weiss er zum Beispiel, welche Unternehmensphilosophie dahintersteckt oder wie die Produkte hergestellt werden. Gleichzeitig ist er jemand, zu dem viele in seinem Umfeld aufsehen. Das bedeutet für Firmen: Unterstützt er deren Marke, werden ihm viele Menschen folgen und dasselbe tun. Ausserdem ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er von diesem Brand nicht so schnell abspringt.

Wie dies andere Werbetypen tun?
Genau. Beim «Euphorischen» trifft dies zu: Dieser lässt sich zwar viel schneller von einem Brand überzeugen. Doch seine Aufmerksamkeit verschwindet auch schnell wieder, da er sich weniger Gedanken über die Marke macht.

Ein weiterer Werbetyp, den die Studie nachweisen kann, ist der «Ignorant». Dieser sei empfänglich für Influencer-Marketing. Wie erklären Sie sich das?
Der «Ignorant» ist so etwas wie ein «Skeptiker light»: Er gibt sich zwar auch abgeklärt, ist jedoch im Vergleich zum «Skeptiker» weniger ideologisch. Denn ihm ist die Trennung von Werbung und Inhalt nicht wichtig und er lässt sich schliesslich davon beeinflussen, wenn beispielsweise in Influencer-Posts Produkte eines Brands gezeigt werden. Insofern kann er mit geschickt verpackten Werbeinhalten erreicht werden.

Wie konnten Sie diese Werbetypen wissenschaftlich nachweisen?
Die Werbetypen waren nicht etwa vordefiniert, sondern haben sich in unserer Studie empirisch ergeben. Wir haben den Studienteilnehmern verschiedene Fragen zu ihrer Einstellung gegenüber Werbung gestellt – beispielsweise wie werbeaffin sie sind, wie wichtig ihnen die Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung ist und ob sie Adblocker nutzen. Als wir das Antwortverhalten statistisch analysiert haben, hat sich gezeigt, dass die Befragten fünf typische Cluster bilden, welche die fünf Werbetypen darstellen. Schliesslich mussten wir diesen noch passende Namen geben: Nebst den bereits genannten Typen waren dies der «Passive» und der «Profiteur».

Die Studie analysiert, wie Digital Natives auf klassische und neue Werbeformen reagieren. Wie ist man dabei vorgegangen?
Den Studienteilnehmern wurden neun verschiedene Werbeformen – von «Screen Ads» im Bus bis zu «Skippable Youtube Ads» – anhand von Bildern mit kurzer Texterklärung gezeigt. Damit die Ergebnisse miteinander vergleichbar sind, präsentierten wir immer den gleichen Werbeinhalt. Anschliessend wurden drei Fragen gestellt: Erstens, nervt dich das? Zweitens, erregt es deine Aufmerksamkeit? Und drittens, weckt es dein Interesse?

Weshalb haben Sie sich bei der Auswertung eines Funnel-Modells bedient?
Klassische Werbestudien fragen danach, ob beispielsweise Plakatwerbung positiv bewertet wird. Dabei weiss man dann aber nicht, finden Studienteilnehmer diese gut, weil sie a) akzeptiert wird, b) Aufmerksamkeit generiert oder c) Interesse für die beworbene Marke schafft. Unser Ziel war es, einen Schritt weiterzugehen und diese drei Aspekte getrennt zu analysieren, damit man sieht, bei welchem Aspekt der Adressat bei der jeweiligen Werbeform genau verloren geht. Aus diesem Grund und weil sie sich für den Vergleich der Werbeformen am besten eignet, haben wir uns für die Funnel-Methode entschieden.

Können Sie diese Methode anhand eines Beispiels erklären?
Die drei Balken stehen für die Ergebnisse zu den drei Aspekten Akzeptanz, Aufmerksamkeit und Interesse pro Werbeform. Ein gutes Beispiel, das auch den graphischen Vorteil dieser Methode verdeutlicht, ist jenes der «Skippable Youtube Ads» (siehe Bild unten): Die Akzeptanz dieser Werbeform ist sehr schlecht – das zeigt sich daran, dass sich der Funnel beim ersten Balken stark verengt. Das bedeutet, dass die Mehrheit von dieser Werbeform genervt ist. Von der Aufmerksamkeit zum Interesse sieht es dann aber anders aus: Der Balken wird nur noch minim enger. Das bedeutet, dass zwischen diesen zwei Ebenen viel weniger Adressaten verloren gehen. Diese Methode zeigt hervorragend, welcher Werbeform man sich bedienen muss – je nachdem welches Ziel man erreichen will.

Funnel_SkippableVideoAd


An «Skippable Youtube Ads» nerven sich also viele. Was heisst das für Werbetreibende, deren Zielgruppe sich auf der Videoplattform von Google viel aufhält?
Solche Unternehmen müssen umso mehr in guten zielgruppenrelevanten Inhalt investieren. Da die Akzeptanz fehlt, nervt man sonst die Adressaten nur. Aufgrund dieses Mangels ist diese Strategie herausfordernd. Aber sicher effizienter als eine Plakatkampagne, die weniger beachtet wird.

Gemäss der Studie sind junge Frauen Influencer-Posts gegenüber offener als junge Männer. Wie erklären Sie sich das?
Wir konnten nachweisen, dass sich Frauen via Beiträge von Instagram-Stars mehr als Männer über die Themen informieren, die sie interessieren. Offenbar lassen sie sich davon mehr beeinflussen als Männer. Allgemein lässt sich sagen: Instagram-Posts werden von beiden Geschlechtern positiv bewertet – bei den Frauen ist dies schlichtweg noch stärker. Ausserdem dominieren Themen wie Mode, Beauty und Lifestyle im Influencer-Marketing – das sind Themen, welche Frauen eher interessieren.

Welche Männer-Themen sind im Influencer-Marketing am stärksten präsent?
In Deutschland dominieren Instagram-Stars aus der Comedy- und Gaming-Welt. Deren Influencer-Marketing ist aber weniger produktlastig, dementsprechend lassen sich die Männer wohl weniger beeinflussen.

Mit der Studie werde kein Patentrezept geliefert, die Digital Natives als gesamte Gruppe zu erreichen. Ist das also gar nicht möglich?
Eins vorneweg: Die Digital Natives sind keine homogene Masse. Die Generation Y und Z sind komplett verschieden; aufgrund des Alters und ihrer Medienbiografie unterscheiden sie sich stark in ihrer Mediennutzung. Innerhalb dieser zwei Zielgruppen kommt auch noch die Differenzierung nach Lebensphasen und den damit verbundenen typischen Interessen hinzu. Und schliesslich müssen noch die fünf Werbetypen unterschieden werden. Die Hauptbotschaft der Studie lautet deshalb: Je genauer die Zielgruppe aufgeschlüsselt ist, desto effizienter kann der Werbefranken eingesetzt werden. In Sachen datenbasiertem Marketing sind wir aber noch am Anfang, da steckt noch extrem viel Potenzial drin.

Die Untersuchung über Digital Natives ist bereits die fünfte Jugendstudie von Jim & Jim. Was ist aus ihrer Sicht das wichtigste Ergebnisse der Studie?
Sicherlich, dass die Generation Z völlig anders tickt als ihre Vorgänger-Generation und zwar in jeder Hinsicht.

Was hat Sie am meisten überrascht?
Das überraschendste Ergebnis ist für mich, dass sich nur einer von zehn Befragten an Native Advertising stört. Transparenz hinsichtlich Werbung und redaktionellen Inhalten ist den meisten Jugendlichen sehr wichtig. Sie wollen nicht hinters Licht geführt werden und akzeptieren Native Advertising, wenn es transparent gemacht wird. Beim Stichwort Transparenz ist uns auch ein Gender-Unterschied aufgefallen. Das Geschlecht hat offensichtlich einen Einfluss auf das Informationsverhalten und die Werbewahrnehmung.


*Die auf die Generation Y und Z spezialisierte Marketingagentur Jim & Jim hat die Studie «Get relevant» in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich durchgeführt. Annina Schamberger, bei der Agentur für die Bereiche Digital und Social Media verantwortlich, war die Projektleiterin. Bei der aktuellen Studie handelt es sich um die fünfte «Jim & Jim»-Jugendstudie der Zürcher Agentur. Drei davon wurden in Zusammenarbeit mit Demoscope und eine mit der HTW Chur durchgeführt. Die erste Studie fand 2011 statt.



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