14.04.2020

Award-Verzicht der TBWA

«Die Krise wird im 2021 nachhallen»

TBWA\Zurich verantwortet die Werbekampagnen grosser Firmen wie McDonald's, Coop oder SBB. CEO Matthias Kiess spricht über gestrichene Award-Budgets, Kurzarbeit in der Agentur und Umsatzeinbussen aufgrund der Krise.
Award-Verzicht der TBWA: «Die Krise wird im 2021 nachhallen»
Die Werbebranche sollte jetzt «nöd laffere, sondern liefere»: TBWA\Zürich-CEO Matthias Kiess. (Bild: zVg.)

Herr Kiess, TBWA\Zurich reicht im laufenden Jahr keine Arbeiten bei Awards ein. Warum der Entscheid?
Einerseits war abzusehen, dass dieses Jahr mit den Award Shows Veränderungen erleben wird und andererseits doch signifikante Beträge und Zeit in die Awardeingaben investiert werden, weswegen wir aufgrund der aktuellen Situation die Prioritäten neu gesetzt haben.

In welchen Ihrer Cases vom letzten Jahr sehen Sie Awardpotenzial? Welche hätten Sie eingereicht?
Für SBB haben wir zwei schöne digitale Cases am Laufen (Swisspass.ch/smile und Märliträx) oder für McDonald’s «The plates» oder #Mamafan.

Welches Budget haben Sie für Awardeinreichungen? Oder anders gefragt: Was spart TBWA\Zurich nun?
Es ist ein tiefer sechsstelliger Betrag, den wir investieren und davon werden wir nun knapp zwei Drittel einsparen.

«Wir werden wahrscheinlich mit einem Umsatzrückgang versus Plan von 8 bis 15 Prozent rechnen müssen»

Nun hat Cannes Lions entschieden, das Festival 2020 ausfallen zu lassen. Was glauben Sie steckt dahinter?
Ich gehe davon aus, dass ökonomische Überlegungen dahinter sind. Sie sind sich bewusst, dass eine sehr grosse Anzahl an Agenturen und Netzwerken dieses Jahr nicht einreichen werden und auch einem Festival fern bleiben würden. Entsprechend entfällt ein wichtiger Teil an Einnahmen und auch Legitimität. Insofern macht es durchaus Sinn, es zu canceln.

Mit welchen finanziellen Einbussen rechnen Sie aufgrund der Coronakrise für Ihre Agentur?
Dies ist aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen, da ein klares Ende nicht abzusehen ist. Aber wahrscheinlich werden wir mit einem Umsatzrückgang versus Plan von 8 bis 15 Prozent rechnen müssen.

Sie haben Kurzarbeit beantragt. In welchem Umfang und für wie lange?
Es handelt sich hier um eine präventive Massnahme, da aktuell unklar ist, wohin die Reise geht und wie stark die Krise uns treffen wird. Aus heutiger Sicht gehe ich nicht davon aus, dass dies länger als bis Mai dauern wird.

«In der Strategie und in der Konzeption ist sehr viel los, zugleich leidet die Produktion deutlich»

In welchen Bereichen gibt es zurzeit nichts zu tun, in welchen vielleicht sogar besonders viel?
Wir stellen alle fest, dass sich enorm viele Publikationen und Initiativen damit befassen, was Marken im aktuellen Stand der Krise tun sollen. Selbstverständlich sind auch wir daran, mit unseren Kunden kurz- und mittelfristige Szenarien für eine geeignete Kommunikation zu entwickeln. Insofern ist in der Strategie und in der Konzeption sehr viel los, zugleich leidet die Produktion deutlich. Shootings, Filmdrehs und Kampagnen sind verschoben worden, was man in der Realisation spürt.

Und Sie selber als CEO: Um wieviel kleiner fällt Ihr Arbeitspensum aus?
Aktuell ist man sicherlich durch das Krisenmanagement zusätzlich ausgelastet. Dafür fallen die Networking-Verpflichtungen komplett weg und die Vitalität im New Business ist auch nicht die Gleiche, wie zu normalen Zeiten. Entsprechend hat sich das Pensum sicherlich leicht reduziert im Vergleich zum vorherigen Alltag.

«Die Krise wird leider auch im 2021 nachhallen»

Wird es bei TBWA\Zürich zu Entlassungen kommen aufgrund der Coronakrise?
Das werde ich hier und jetzt nicht beantworten wollen und können.

Und wie schätzen Sie den Schaden für die Schweizer Werbebranche ein? Der Verband Schweizer Medien rechnet mit einem Werbeeinbruch von 380 Millionen Franken nur schon für die Presse.
Ich habe eine Aussage gelesen, die auf einer Datenanalyse von 1920 bis 2009 beruht, und diese sagt aus, dass eine Veränderung des BIP um 1 Prozent die Werbeausgaben um 1,4 Prozent verändert. Wenn ich aber die von Ihnen genannte Zahl nehme und auch meinen ersten Eindruck berücksichtige, dann präsentiert sich dies massiv dramatischer und wird schnell im zweistelligen Bereich landen. Hierfür eine konkrete Prognose aus heutiger Sicht zu treffen, wäre meines Erachtens allerdings nicht professionell, da die Umstände zu unsicher sind.

Welche Auswirkungen könnte die aktuelle Krise auf das Werbejahr 2021 haben?
Die Krise wird leider auch im 2021 nachhallen. Es wird zu strukturellen Anpassungen kommen, Firmen werden zurückhaltend mit Investitionen sein, da sie noch die finanziellen Nachwirkungen aus dem 2020 zu verdauen haben und sich mit den neuen Umständen im Markt auseinandersetzen müssen.

Zurück zu TBWA\Zurich: Wie beurteilen Sie die Arbeit im Homeoffice – den Austausch agenturintern sowie mit Kunden und Partnern – nach den ersten Wochen?
Grundsätzlich können wir ganz zufrieden sein. Die Umstellung hat sehr gut geklappt und keine grösseren Probleme verursacht. In gewissen Belangen hat man gewonnen, etwa bei der Produktivität oder der Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von technologischen Plattformen. In anderen Bereichen aber vielleicht auch etwas verloren. Der zwischenmenschliche Kontakt fehlt einfach. Obwohl wir natürlich auch vom Job losgelöste Meetings über digitale Wege organisieren – vom Freitags-Apéro bis zum gemeinsamen Kochen. Die gegenseitige Inspiration und Gruppendynamik muss anders gepflegt werden und ist weniger gut zu kontrollieren. Präsentationen hingegen lassen sich technisch einwandfrei über die verschiedenen Plattformen abwickeln, aber man merkt eindeutig, dass es eine andere Qualität des Austauschs ist. Insofern präferieren wir persönliche Zusammentreffen nach wie vor, auch wenn sich dies aktuell kaum realisieren lässt.

«Die einen verhalten sich defensiv, während andere proaktiv die Krise mit uns managen»

Ihre Agentur arbeitet für McDonald’s, SBB oder Coop. Was für Gespräche führen Sie zurzeit mit diesen Kunden? Wie wird die Zusammenarbeit weitergeführt, oder eben nicht?
Die Zusammenarbeit ist nach wie vor sehr intensiv und wir sind unterschiedlich stark gefordert. Die einen verhalten sich in gewissen Belangen defensiv, während andere proaktiv die Krise mit uns managen. Aber wir erleben kaum einen Full-Stop, was mich zuversichtlich stimmt und mir zeigt, dass die Kunden die Notwendigkeiten erkennen und es definitiv in den Augen aller ein «danach» gibt.

Für Coop haben Sie letztes Jahr die Sommer- sowie die Weihnachtskampagne erarbeitet. Inwiefern beeinflusst die Coronakrise die Arbeit dieses Jahr daran?
Selbstverständlich werden Briefings, Konzepte und Kampagnen hinterfragt, aber so wie der Sommer wird auch Weihnachten dieses Jahr kommen und für Coop ein Thema sein.

Sie bieten in diesen Tagen krisengebeutelten KMU kostenlos Beratung an. Was erhoffen Sie sich davon?
Eigentlich erhoffe ich mir, dass wir diesen KMU helfen können. Und tatsächlich haben wir einige Reaktionen ausgelöst. So sind verschiedenste Unternehmungen aus ganz unterschiedlichen Sektoren – beispielsweise aus Personalberatung, Fotografie, Jobplattform, Werbevermarktung, Innenausstattung, Softwareimplementierung – auf uns zugekommen und haben uns um Unterstützung gebeten. Zahlreiche Personen haben auch ihre Mithilfe angeboten, was mich sehr begeistert hat. Dass diese Aktion positive Signale in den Markt gesendet hat, ist nicht von der Hand zu weisen.

Ganz generell: Wie könnte die Werbebranche in der Krise Unterstützung bieten?
Was sich ja bereits im Kleinen und Grossen in verschiedenen Initiativen zeigt: Antworten und Lösungen auf dringliche Probleme finden, Anleitung geben, Wissen weitergeben, den Schwachen solidarisch helfen und Innovation vorantreiben. Um es Schweizerdeutsch auf den Punkt zu bringen: «Nöd laffere, sondern liefere».


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