06.01.2009

Migros-Chef Herbert Bolliger kritisiert eigene Werbung

Mit Spannung erwartete die Medienbranche an der Verlegertagung das Podiumgespräch zwischen Herbert Bolliger, Präsident der Generaldirektion der Migros, und Patrik Müller, Chefredaktor „Sonntag". Das angekündigte Interview mit dem Titel "Verändertes Marktumfeld verlangt neue Strategien – auch in der Kommunikation. Warum weniger mehr sein kann“ sorgte im Vorfeld für viel Gesprächsstoff. Der meist gefürchtetste Mann der Medien- und Werbeszene redete dann auch Klartext. Mit seinen Aussagen kritisierte Bolliger gar die eigene vielgerühmte Migros-Werbung. Der Bericht:
Migros-Chef Herbert Bolliger kritisiert eigene Werbung

Ungewöhnliche Töne von Herbert Bolliger an der gestrigen Verlegertagung. Im Gespräch mit "Sonntag"-Chefredaktor Patrik Müller kritisierte der Migros-Chef die bisherige Werbestrategie des Detailhändlers. An einem internen Seminar in Interlaken habe man im vergangenen Jahr die gesamte Migros-Werbung inspiziert und dabei festgestellt, dass ein massloses Chaos herrsche. Er sei sich sicher, dass die vielgerühmte Kreativität der Migros-Werbung wenig zur Effizienzsteigerung des Konzerns beigetragen habe. Zum Erstaunen des Publikums gab Bolliger gar zu, dass ihn die Werbung am Fernsehen und in der Sonntagspresse zum Teil sehr gelangweilt und genervt habe.

Gegenüber "persoenlich.com" bezeichnete Bolliger einige Markenkampagnen von Migros im anschliessenden Gespräch als "sehr mangelhaft" und "qualitativ schlecht", zudem weise sie handwerkliche Fehler auf. Die unklaren Botschaften hätten die Konsumenten verunsichert. Auch die vielfache Präsenz der Inserate und Spots in den Zeitungen und im Fernsehen verärgerten den Migros-Boss. Dadurch sei möglicherweise der Eindruck entstanden, dass die Migros mit ihrem Geld verschwenderisch umgehe.

Die Kritik von Bolliger überrascht insofern, da die Migros-Werbung bis anhin als Musterbeispiel kreativer Werbung galt und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde. Für den ehemaligen Migros-Werbeleiter und "Werber des Jahres 2005", Beat Mühlemann, welcher ebenfalls im Publikum sass, mag tröstlich sein, dass Bolliger auch die Werbung des Konkurrenten Coop "langweilig" finde, wie er gegenüber "persoenlich.com" erklärte. Im weiteren kündete Bolliger an, dass die Migros ihr Werbebudget im kommenden Jahr um rund 50 Millionen Franken senken werde. Dicker werde es 2009 nicht kommen. Trotz dieser Reduktion werde die Migros auch in Zukunft wohl der grösste Auftraggeber der Schweiz bleiben.

Am selben Tag fanden auch die Pitch-Präsentationen um das Dachmarkenbudget statt. Am Dienstag präsentierten die Agenturen dem Marketing-Chef Oskar Sager ihre Vorschläge ("persoenlich.com" berichtete). Bolliger outete sich im Gespräch mit "persoenlich.com" als anspruchsvoller Werbekonsument. Er erwartet von der neuen Werbung, dass man auch noch beim zehnten Mal über die Botschaften schmunzeln könne. Gleichzeitig soll sie - wie gehabt - eindeutig als Migros-Werbung erkennbar sein. Wie zu erfahren war, werde die neue Dachmarken-Kampagne spätestens im zweiten Quartal zu sehen sein. Ende Januar wird die Agentur für die Aufgabe bestimmt.

(Text: Matthias Ackeret und Christian Lüscher)



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