12.07.2020

Serie zum Coronavirus

«Menschen lächeln sich auf der Strasse an»

Daniel Fischer, Head of Marketing UBS Switzerland, hat die ganze Krise in Zürich und Berlin erlebt. In Folge 83 unserer Serie gibt er ausserdem einen Einblick, wie Covid-19 die Marketingaktivitäten der Bank beeinflusst hat.
Serie zum Coronavirus: «Menschen lächeln sich auf der Strasse an»
«Unsere gesamte Jahresplanung musste in dieser Zeit natürlich auf den Prüfstand», so Daniel Fischer, Head of Marketing UBS Switzerland. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Fischer, wie haben Sie selbst die Zeit des Lockdowns erlebt?
Zunächst und ganz kurz als ein angenehmes Innehalten und einen erzwungenen, aber nicht nur zwanghaften Perspektivenwechsel. Dann als eine beruflich äusserst dynamische Zeit, in der mein Team und ich sich schnell auf vieles, nicht zuletzt den neuen Arbeitsmodus, einstellen mussten, aber auch sehr flexibel über neue Gelegenheiten nachdenken konnten. In meinem Bekanntenkreis habe ich viel über die Sorgen von Selbstständigen in der Kreativ- und Dienstleistungsbranche gesprochen und konnte teilweise auch mit Rat und Tat beiseite stehen.

Sie leben sowohl in Berlin als auch in Zürich. Sind die Bewohner der beiden Städte anders mit der Krise umgegangen?
Zu Zeiten des Lockdowns waren wohl in beiden Städten leere und verwaiste Strassen und Orte das prägende Erlebnis. Ich habe überall eine Unsicherheit und Vorsicht, aber auch einen Willen zu Hilfe und Unterstützung erlebt, gerade im nachbarschaftlichen Umfeld. Mein Team und ich haben komplett im Homeoffice gearbeitet. Seitdem weiss ich auch, wie man Gastgeber eines virtuellen «Apéros» wird und habe eine grosse Bewunderung dafür, wie einige meiner Kolleginnen und Kollegen die Doppelbelastung mit Arbeit und Kinderbetreuung gehandhabt haben. Andere Berufszweige und Branchen hatten die Homeoffice-Option nicht unmittelbar und mussten mit der Situation anders umgehen. Dies wurde mir auch sehr bewusst. Meine Rückkehr an den völlig leeren Flughafen in Zürich, Mitte Mai, werde ich ebenfalls nicht so schnell vergessen. Und was mich bis vor Kurzem irritiert hat, war der unterschiedliche Umgang beider Länder beim Tragen von Masken im öffentlichen Verkehr oder in Geschäften. Aber da kommt es ja nun zu einer gewissen «Angleichung».

«Wir haben uns schnell in einen ‹Taskforce›-Modus versetzt»

Inwiefern haben Sie Ihre Marketingaktivitäten der ganzen Situation angepasst?
Wir haben uns schnell in einen «Taskforce»-Modus versetzt, um auf die veränderte Situation reagieren zu können. Das war für viele und teilweise auch mich ein Crashkurs in Sachen «Agile Working» und hat uns die Vorteile und zu beachtenden Aspekte dieser Arbeitsmethode sehr praktisch vor Augen geführt.

Was heisst das?
Es ging zunächst um das Bereitstellen von relevanten Informationen und Tipps insbesondere zu unseren digitalen Services und Tools aber auch von Anlagewissen für verschiedenste Zielgruppen. Dies erfolgte natürlich verstärkt auf digitalen Kanälen. Viele unserer Kunden haben wohl noch nie so stark via digital – oder digital unterstützt – mit uns kommuniziert. Dies wussten sie sehr zu schätzen, wie unsere Befragungen auch im Konkurrenzvergleich zeigen. Die Unterstützung von KMUs bei der Vermittlung der Überbrückungskredite und weiteren Tipps zur Liquiditätsplanung haben uns ebenfalls sehr beschäftigt. In einer zweiten Phase haben wir dann konkrete Gelegenheiten genutzt, zum Beispiel die Nutzung unseres Digital- und Mobile Payment-Angebots mit entsprechenden Massnahmen zu forcieren. Die ausgewerteten Ergebnisse sind sehr ermutigend und zukunftsweisend.

Was heisst das bezüglich der Jahresplanung?
Unsere gesamte Jahresplanung musste in dieser Zeit natürlich auf den Prüfstand. Manche geplanten Massnahmen passten überhaupt nicht mehr, andere mussten in Tonalität und Medienmix angepasst werden – und wieder andere kamen genau richtig. So war es beispielsweise gut, dass wir die Einführung von weiteren mobilen Bezahllösungen wie Apple Pay angekündigt haben. Daneben war die Lancierung unserer digitalen Hypothekenplattform «key4 byUBS» sicherlich ein «Leuchtturm», auf den ein sehr grosses Team auch in Coronazeiten ausserordentlich intensiv hingearbeitet hat.

«In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass Banken zur Bewältigung der Krise systemrelevant sind»

Wie würden Sie Ihre Marketing- und Kommunikationsstrategie umschreiben?
Hilfreich, relevant, zugänglich sein – «Experience is the Brand». Das las ich neulich in dieser Interviewserie und finde es für einen Finanzdienstleister wie uns eine gute Krisen-, aber auch sonst eine gute Marketing- und Kommunikations-Strategie. Wenn dann zusätzlich noch glaubhafte und mittel- und längerfristig greifbare Akzente im Bereich Corporate Social Responsibility gesetzt werden, wie beispielsweise im Volunteering oder in der Nachhaltigkeit, dann haben wir grosse Chancen, unsere Marke gestärkt aus der Coronakrise zu führen.

Wird diese Krise das Bankenwesen grundlegend verändern?
In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass Banken zur Bewältigung der Krise systemrelevant sind. Verschiedene Parameter wie etwa Consideration oder Preference zeigen uns auch, dass wir unsere Position haben stärken können. Gewisse Elemente unserer Digital- und Kanal-Strategie werden durch die Krise beschleunigt: Die Nutzung digitaler Kanäle und Touchpoints intern und extern mit unseren Kunden, die Stärkung von Plattform-/Ökosystem-Lösungen, agile Zusammenarbeitsformen, um nur ein paar zu nennen. Corona ist dahingehend wohl ein ungewollter Verbündeter bei der Strategieumsetzung.

Vielerorts konnte man nur noch mit Kreditkarten zahlen. Wird dies die «neue Realität» im Zahlungsverkehr?
Wir sehen sehr starke Zunahmen bei der Nutzung von mobilen Bezahllösungen. Twint zum Beispiel hat einen sehr starken Nutzer- und Volumenzuwachs verzeichnen können und ist längst nicht mehr nur eine P2P-Lösung. Die Anzahl von Kunden, die ihre Kreditkarte kontaktlos einsetzen, steigt ebenfalls ständig. Viele, die dies anfangs vielleicht nur aus Hygienegründen gemacht haben, merken jetzt, dass es darüber hinaus auch sehr praktisch und sicher ist. Die Schweiz ist in dieser Hinsicht immer noch nicht Skandinavien, das stimmt wohl, aber hat sich in den letzten Monaten beschleunigt «in diese Richtung» entwickelt.

Ein Blick in die Zukunft: Werden Sie in Zukunft Ihre Marketinganstrengungen anders einsetzen?
Wir werden weiterhin zentral auf die Vermittlung von relevanten, konkreten und greifbaren Produkten, Services und Angeboten setzen. Möglichst keine Massnahme ohne «Proof Point», kein «Behauptungs-Marketing». Wie bereits gesagt: Kundenerfahrung ist die Marke. In diesem Bereich bewegen sich sehr viele und auch neue Mitbewerber, weshalb wir ihn ständig und äusserst aufmerksam beobachten. Es gilt, zu unseren Kunden und unserer Marke passende Antworten zu finden und eine Strategie, keine aktionistische Taktik zu verfolgen. Das war und bleibt so. Der Mix von Marketingkanälen wird sich wohl weiterentwickeln – noch weiter Richtung digital, in allen passenden «Schattierungen». Ergänzt um eine effektiv und selektiv eingesetzte Stärkung zum Beispiel des «Live Moments». Da bin ich sicher. Ferner braucht es zum Identitätsaufbau gut ausgewählte «relationale» Elemente. Neben unseren Kundenberaterinnen und -beratern als offensichtlichen Teil davon, können dies aus Marketingsicht Partnerschaften im Bereich Jugend, Bildung und Nachhaltigkeit sein. Da haben wir mit unserem UBS Kids Cup und der Partnerschaft mit SwissSkills schon einiges in der «Toolbox» und arbeiten mit Hochdruck an einer weiteren, spannenden Ergänzung.

«Ich sehe viele Chancen, das vielbesprochene ‹New Normal› jetzt aktiv zu gestalten»

Was wird Corona in unserem Leben verändern?
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Ist das nun von Mark Twain, Niels Bohr oder Karl Valentin? Wie auch immer. Ich vermute, dass sich klarer und schneller herausstellen und voneinander trennen wird, wo Digital ein echter und hilfreicher Ersatz für bisherige Abläufe und Prozesse ist, wo Digital eine gute Unterstützung bei der Gestaltung von Interaktionen ist – und wo die «Live-Begegnung» weiterhin essenziell und das Digitale nur ein zweitklassiger Ersatz ist.

Inwiefern?
Es wird also auf eine angepasste Mischung hinauslaufen, in der alle ihre Stärken ausspielen können. Nur, so ganz von selber wird sich das nicht ergeben. Deshalb sehe ich viele Chancen, das vielbesprochene «New Normal» jetzt aktiv zu gestalten.

Was war für Sie persönlich das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Auf der politischen und gesellschaftlichen Ebene liegen die Themen auf der Hand und werden uns noch längere Zeit prägen und beschäftigen. So vermute und teilweise hoffe ich. Daher zwei andere Dinge: In den vergangenen Monaten habe ich beobachtet, dass sich Menschen auf der Strasse aufmerksamer anschauen und sogar anlächeln. Ich hätte nichts dagegen, wenn das bliebe. Und im April hat mir der Spotify-Algorithmus den Song «Everything Must Change» von Randy Crawford in die Playlist gestellt. Was für eine passende Auswahl!



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.

 



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