28.10.2020

GfM-Marketingpreis 2020

«Unsere DNA ist das Geschäft mit dem Endkunden»

Hannes Schwarz, CEO von Ifolor, wird 2020 mit dem GfM-Marketingpreis ausgezeichnet. Ifolor ist aktuell in fünfzehn Ländern tätig und beschäftigt rund 250 Mitarbeitende. Das Coronajahr spürt Schwarz auf eine spezielle Art und Weise.
GfM-Marketingpreis 2020: «Unsere DNA ist das Geschäft mit dem Endkunden»
von Matthias Ackeret

Herr Schwarz, herzliche Gratulation zum GfM-Marketingpreis 2020. Was bedeutet diese Auszeichnung für Ihre Firma?
Vielen Dank, wir fühlen uns sehr geehrt. Es hat uns völlig überrascht, dass wir diesen Preis bekommen. Gleichzeitig bestätigt es uns, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, und in diesem Sinne nehme ich den Preis sehr gerne als Anerkennung für die Leistung unserer Mitarbeitenden entgegen.

Welchen Stellenwert hat das Marketing innerhalb Ihrer Firma?
Einen sehr wichtigen. Nebst der Qualität für unsere Software und unsere Fotoprodukte benötigen wir eine Bekanntheit im Markt. Dies bedeutet, dass wir auch in diesem Bereich innovativ sein müssen. Es geht dabei nicht nur darum, unsere Marke zu pflegen, sondern auch darum, ständig aufzuzeigen, welche Produkte wir anbieten, und den Konsumenten darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig Fotos für die Erinnerung sind. 

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Wie ist Ifolor überhaupt entstanden?
Mein Grossvater gründete 1961 die Photocolor Kreuzlingen AG als Fotolabor für Grosskunden, also ein klassisches B2B-Geschäft. Er realisierte nach und nach, dass die Absichtserklärungen der damaligen Grosskunden und Fotohändler nicht immer der Realität entsprachen. Nach einer Studienreise in die USA kam er zurück mit der Idee, die Konsumenten direkt ohne Zwischenhandel mittels Versand zu bedienen. 1968 ging er mit dem Angebot «gleicher Preis wie bei der Migros, aber zusätzlich mit Gratisfilm» auf den Markt und hatte von Anfang an grossen Erfolg. Einerseits fiel damit das Klumpenrisiko weg, von einigen Grosskunden abhängig zu sein, und andererseits bedeutete es, Marketingideen auf dem damals neuen Gebiet des «Direkt-Marketing» auszuprobieren. Als sich der Kleinbildfilm auch bei den Amateurfotografen durchsetzte, passte dieser nicht mehr durch den Schlitz des gelben Post-Briefkastens. Der damalige Marketingverantwortliche von uns unternahm alles bei der Post, um das Geschäft nicht absterben zu lassen. Und weil es auch für die Post lukrativ war, bot diese Hand und rüstete die Briefkästen schweizweit zusätzlich mit einer Ausstanzung für Filme im Schlitz um.

War Ihr Grossvater Fotograf?
Nein, er war Lebemann. Mein Grossvater wollte Unternehmer sein. Er hatte bereits vorher ein paar andere Geschäftsideen, die aber nicht zündeten. Diesmal war es anders. Unser Geschäft war von Beginn an nutzerorientiert. Und das ist bis heute der wichtigste Teil unserer DNA geblieben. Mein Grossvater erlebte die Anfänge des Erfolgs noch und musste sich leider Anfang der Siebzigerjahre krankheitsbedingt aus dem Geschäft zurückziehen.

Sie betrieben Ihr Geschäft immer von Kreuzlingen aus?
Ja, wir sind in der Region verwurzelt und fühlen uns wohl hier.

Damals hatten Sie das Monopol.
Es gab weitere Marktteilnehmer in der Schweiz, aber wir waren der Marktführer, bis 1981 Fotolabo Club SA in Montpreveyres in den Markt eintrat und unseren Preis von einem Franken pro Bild inklusive Gratisfilm und «Gratisgeschenkli» halbierte. In der Folge brach unser Geschäft während dreier Jahre um jeweils rund 20 Prozent ein. Die Konzentration auf wenige Formate, die Halbierung des Preises, dafür ohne «Gratisgeschenke», kombiniert mit dem Clubgedanken verfing bei den Kunden.

Wie haben Sie darauf reagiert?
Zuerst gar nicht. Die damalige Geschäftsführerin war – wie andere Marktteilnehmer auch – überzeugt, dass Fotolabo seine Tiefpreisgestaltung nicht lange aufrechterhalten könne. Denn unsere Kostenpositionen für Produktion und Marketing waren bereits höher als der Verkaufspreis von Fotolabo. Aufgrund des anhaltenden Umsatzrückgangs wurden auf Druck des Verwaltungsrats Strategie, Organisation und Prozesse überprüft mit dem Resultat, dass die Geschäftsführerin ausschied. Zu diesem Zeitpunkt übernahmen mein Vater, der frisch vom Studium seit wenigen Monaten im Geschäft als Marketingassistent arbeitete, und sein Mentor, ein langjähriger Freund der Familie, die Geschäftsführung. Es galt, möglichst schnell eine neue Strategie zu definieren und für deren Mithilfe und Umsetzung in Marketing und Produktion die entsprechenden Spezialisten zu rekrutieren. Das Rad musste nicht neu erfunden werden, Fotolabo hats zum Teil vorgemacht: Entrümpelung der Gratisgeschenke, Fokussierung auf die gängigsten Film- und Fotoformate mit entsprechend schlanken Produktionsprozessen sowie eine zügige Umsetzung aller Massnahmen. Und wichtig: eine Marketingkampagne, die einschlägt. Unsere damalige Werbeagentur entwickelte kurze Fernsehspots mit Laiendarstellern, die nur die Filmtasche mit dem neuen Preis von 29 Rappen in der Hand hielten und dabei machen durften, was sie wollten. Von Jodeln über nur Lachen bis hin zu ungläubigem Staunen oder blankem Entsetzen und noch einigem mehr. Persönlichkeiten jeden Alters und Geschlechts mit starkem Ausdruck – mehr nicht, aber das sass. Die Umsätze schossen wieder in die Höhe.

Was heisst das?
Unsere DNA basiert auf dem Geschäft mit dem Endkunden, auf einem schlanken, mengenfähigen Sortiment, das automatisiert in hoher Qualität produziert werden kann, sowie einer moderaten Preisgestaltung. Konkret bedeutete dies, dass wir nicht «sieben ähnliche» Fotobücher anbieten, sondern nur eines in einer gewissen Variation. Die Welt per se ist komplex genug, als Unternehmen wollen wir die Komplexität möglichst gering halten. Der Markt war in den Achtzigerjahren – wie auch heute – stark umkämpft. Dies bedeutet kostenbewusstes Agieren mittels Automatisierung.

Wann sind Sie in das Geschäft eingestiegen?
Ich bin 2013 in die Firma eingestiegen, zuerst ins Marketing und dann in die Finanzen. Als mein Bruder sich 2018 entschloss, seine Zukunft ausserhalb unseres Familienunternehmens zu gestalten, packte ich die Chance mit Unterstützung des VRs und meines Vaters – und bin nun seit anderthalb Jahren leidenschaftlicher CEO.

Was bedeutete der Siegeszug der Digitalfotografie für Ihr Unternehmen?
Das war wirklich eine disruptive Entwicklung. Mein Vater war CEO unserer Firma von Mitte der Achtzigerjahre bis 2009 und hatte ein starkes Team um sich. Basierend auf dem Wissen, dass jede bestehende Lösung irgendwann von einer besseren im Sinne des Kundennutzens abgelöst wird, erkannten die Teammitglieder Vorteile in der Digitalfotografie wie zum Beispiel die sofortige Verfügbarkeit der aufgenommenen Fotos und den Wegfall der Kosten für Filmentwicklung. Die Überzeugung, dass diese neue Technologie ein enormes Potenzial bietet und die analoge Fotografie ablösen wird, veranlasste das Team Mitte der Neunzigerjahre zum «Pröbeln», was im Jahr 2000 zum ersten Online-Fotoservice der Schweiz führte. Die Nachfrage war anfangs eher enttäuschend. Richtig Fahrt nahm das digitale Printgeschäft erst durch die zweite digitale Substitution auf, nämlich mit der Lancierung von Fotobüchern, -kalendern und -grusskarten im Jahr 2005. Die Konsumenten hatten nun die Möglichkeit, Produkte individuell zu gestalten, was für Einzelfotos nicht gegeben war. Der Rückgang bei Analog war bis 2007 stärker als der Anstieg bei Digital. Deshalb stellte die Übernahme unseres einstigen härtesten Konkurrenten Fotolabo im Jahr 2006 einen eigentlichen Glücksfall unter mehreren Gesichtspunkten dar. Erstens konnten wir unseren Marktanteil in der Schweiz erweitern, die frei gewordene Analog-Kapazität in Kreuzlingen wieder auslasten und gleichzeitig die Internationalisierung mit der Übernahme des Labors in Finnland mit den fennoskandinavischen Märkten vorantreiben. Fotolabo hatte wie die meisten anderen Labore Mühe mit der Substitution von Analog zu Digital und stand deshalb zum Verkauf. Seitdem haben wir unser Sortiment um Wanddekorationen, Geschenke wie zum Beispiel Puzzles oder Tassen erweitert. Personalisierung und Emotionalisierung spielen dabei eine sehr grosse Rolle.

Warum hatten Sie 2000 diesen Einbruch?
Früher – im analogen Zeitalter – wollte der Kunde seine Fotos möglichst schnell entwickelt haben, weil er nicht wusste, wie seine Fotos aussehen würden. Die digitale Fotografie ermöglichte das sofortige Betrachten der Aufnahmen auf dem Fotoapparat oder auf dem Computer zu Hause. Dadurch war die erste Neugierde befriedigt. Zusätzlich konnte der Kunde auswählen, welche Bilder er schlussendlich auf Papier haben wollte. Diese Veränderung haben wir hautnah gespürt, und es bedurfte massiver Marketinganstrengungen, um auf die Vorzüge des haptischen Fotos hinzuweisen.

Rückblickend tönt dies alles sehr logisch.
Der Wechsel von der analogen zur digitalen Fotografie war anfangs ein schleichender, kaum wahrnehmbarer Prozess. Für meinen Vater und sein Team stellte dies eine enorme Herausforderung dar, da niemand wirklich wusste, wie schnell sich die Digitalisierung durchsetzen würde und welche Konsequenzen dies für unser Geschäft haben könnte. Ich weiss noch gut, wie gross die allgemeine Verunsicherung betreffend Digitalisierung damals war. Wir mögen uns alle noch an den Millennium-Bug vor zwanzig Jahren erinnern, als sich die ganz Welt vor dem Stillstand aller Computer beim Jahrtausendwechsel fürchtete. Heute lächelt man darüber, da eine solche Situation mit dem jetzigen Wissen gar nicht mehr vorstellbar ist. Trotzdem stellt uns auch die heutige Zeit vor grosse Herausforderungen. So ist die Komplexität bei der Softwareentwicklung wie auch im Marketing massiv angestiegen.

Ihre Firma befindet sich in Kreuzlingen, einem Hochpreisstandort. Bestand nie die Versuchung, ins Ausland zu gehen?
Nein, wir sind regional stark verankert. Unsere Familie wohnt in der Region, und unsere Firma ist hier seit vielen Jahren einer der grössten Arbeitgeber.

Aber Sie sind auch Marktleader in Finnland. Wie sind Sie dazu gekommen?
Die Übernahme von Fotolabo im Jahr 2006 beinhaltete auch ein Labor in Finnland mit rund 80 Mitarbeitenden. Vor meinem Studium habe ich einige Monate in Finnland gearbeitet.  Der Name Ifolor setzt sich übrigens aus den Namen ifi (damalige Marke in Finnland), Fotolabo Club und photocolor zusammen. Damit wollten wir symbolisieren, dass alle drei Firmenteile gleichwertig sind und zwischen ihnen keine Hierarchie besteht.

Wie erleben Sie die Konkurrenz aus dem Ausland? Gibt es die für Sie überhaupt?
Selbstverständlich spüren wir die Konkurrenz aus dem Ausland. Aufgrund des tieferen Lohnniveaus herrscht teilweise ein aggressiver Preiskampf, der für uns nicht immer ganz einfach ist.

Aber Sie beschäftigen trotzdem 170 Leute hier.
Ja, 170 Mitarbeitende in der Schweiz, davon aber rund 60 in unserer Marketing- und Softwareabteilung in Zürich.

Wie haben Sie dieses Jahr erlebt?
Als äusserst turbulent. Wir sind schwach ins Jahr gestartet. Vor dem Lockdown war die Situation kurzzeitig katastrophal, während des Lockdowns haben die Aufträge stark zugenommen, weil die Konsumenten zu Hause Zeit hatten, sich um ihre Fotos zu kümmern, und demensprechend Bestellungen in Auftrag gaben. Nach der Aufhebung des Lockdowns und dem warmen Sommer spürten wir, dass die Konsumenten sich wieder anderen Aktivitäten zuwandten. Für unser Geschäft war sicher erschwerend, dass festliche Anlässe sowie Ferienreisen mehrheitlich ausblieben und somit auch die Zahl der damit verbundenen Fotos deutlich geringer ausfiel als in anderen Jahren. Es werden momentan auch weniger Fotobücher produziert als noch 2019. Wie das Jahr ausgehen wird, wissen wir erst zum Jahresende, denn unsere Hochsaison beginnt in den kommenden Wochen und dauert bis Weihnachten.

Sind sie selber ein guter Fotograf?
Es gibt Dinge, in denen man gut ist, und solche, die Spass machen. Ich habe immer gerne fotografiert, aber ich beherrsche das Fotografieren nicht. Darum bin ich ganz glücklich mit den technologischen Hilfen, die Smartphones heute bieten. Auch wenn meine Freundin das Gefühl hat, ich könne es immer noch nicht (lacht).

Für die besten Familienfotos ist immer noch meine Mutter zuständig. Sie fotografiert nicht nur sehr gern, sie beherrscht es auch sehr gut.     

 
Bildschirmfoto 2020-10-27 um 14.38.00


Hannes Schwarz (35) hat BWL studiert und ist seit 2019 CEO des Thurgauer Fotoverarbeitungsunternehmen Ifolor, welches sein Grossvater vor 59 Jahren in Kreuzlingen gegründet hat. Die Firma beschäftigt rund 250 Mitarbeitende, wobei es in der Hauptsaison doppelt soviele sein können. Ifolor erzielt einen jährlichen Umsatz von 100 Million Franken und hat eine Million Aktivkunden. Die Produktionsstandorte von Ifolor sind in Kreuzlingen und Kerava (Finnland). Weitere Offices für Software und Marketing befinden sich in Zürich und Helsinki. (pd/eh)

Das vollständige Interview lesen Sie in der nächsten Ausgabe des «persönlich»-Printmagazins. 



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