12.04.2021

CH Media

«Die Schweizer Inhalte machen den Unterschied»

Das Medienunternehmen steigt ins Streaming Business ein. Roger Elsener, Geschäftsführer Entertainment, sagt im Interview, warum sie das trotz grosser Konkurrenz wagen, weshalb eine Zusammenarbeit mit der SRG nicht geklappt hat und welche Tricks bei Fernsehproduktionen manchmal nötig sind.
CH Media: «Die Schweizer Inhalte machen den Unterschied»
Roger Elsener, Geschäftsführer Entertainment bei CH Media. (Bild: CH Media)
von Marion Loher

Herr Elsener, weshalb braucht es nebst Netflix, Amazon oder Play Suisse eine weitere Streaming-Plattform in der Schweiz (persoenlich.com berichtete)?
Wir glauben, es hat noch genug Platz für eine private Streaming-Plattform. Grundsätzlich ist Streaming ein grosses Bedürfnis und die Abo-Zahlen steigen weiter. Der Markt wächst und hier wollen wir mitmachen. Unsere Sendergruppe erreicht im Schweizer Free-TV einen Marktanteil von über zehn Prozent im für uns werberelevanten Bereich, also bei den 14- bis 49-Jährigen. Sie wollen die Inhalte überall und zu jeder Zeit konsumieren. Mit unserer Streaming-Plattform «oneplus» kommen wir diesem Bedürfnis nach.

Heisst das, TV-Sender wie 3+ oder TV24 werden auf einer Website zusammengefasst und die Sendungen können dann einfach früher angeschaut als dass sie im linearen Fernsehen gezeigt werden?
Der Hauptteil unserer Streaming-Plattform besteht aus neuen Angeboten, die wir im Free-TV nicht zeigen. Selbstverständlich werden wir aber auch Inhalte unserer Fernsehsender auf der Plattform zur Verfügung stellen, und zwar länger als man es heute üblicherweise kennt, nämlich für 30 Tage. Momentan laufen hierfür die Verhandlungen mit den Lizenzgebern. Ziel ist es, unseren Zuschauerinnen und Zuschauern einen früheren Zugang zu unseren erfolgreichen Eigenproduktionen wie «Der Bachelor», «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» oder «Adieu Heimat – Schweizer wandern aus» zu geben.

Was unterscheidet Ihre Plattform von anderen Streaming-Plattformen?
Im Kern sind es unsere Schweizer Inhalte, die den Unterschied ausmachen. Wir werden auf der Plattform viele Schweizer Spielfilme sowie eigene Produktionen und Originals anbieten.

«Die SRG war damals nicht bereit, auf unsere Interessen einzugehen»

Sie betonen die Schweizer Inhalte. Diese gibt es bei Play Suisse mittlerweile auch. Weshalb hat eine Zusammenarbeit mit der SRG nicht geklappt? Entsprechende Gespräche gab es vor gut einem Jahr.
Wir waren im Gespräch, das stimmt. Es gab aber ein paar Themen, die uns wichtig waren und bei denen wir auf keinen gemeinsamen Nenner kamen, beispielsweise bei der Governance, beim Mitspracherecht, bei der Technologieselektion oder bei den Fragen, wie Inhalte platziert werden und bei wem die Content-Hoheit liegt. Die Gespräche waren konstruktiv, doch die SRG war zum damaligen Zeitpunkt nicht bereit, auf unsere Interessen einzugehen. Deshalb haben wir uns entschieden, den eigenen Weg zu gehen. Man darf aber nicht vergessen, dass unsere Sender und die der SRG heute schon im Free-TV sehr gut nebeneinander funktionieren. Beide haben ihre Schweizer Inhalte, jedoch unterschiedlich akzentuiert, beide finden ihre Zielgruppe und erreichen ihre Marktanteile. Das ist auch im Streamingbereich möglich.

Es scheint, als waren Sie sich in vielen Punkten uneinig.
Seitens SRG gab es beispielsweise Bedenken, ob «Der Bachelor» auf dieser gemeinsamen Plattform stattfinden soll oder nicht. Für uns war das keine Frage. «Der Bachelor» ist eine der erfolgreichsten Produktionen im Schweizer Fernsehschaffen und gehört auf diese Plattform. Für uns war selbstverständlich, dass unser gesamter Content-Katalog dort stattfinden soll.

War danach sofort klar, dass CH Media es allein wagt?
Für uns war es keine Alternative, nichts zu machen. Wir wollen bei der Unterhaltung auf die neuesten Technologien setzen und so die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer abholen.

Sie sagten einmal, die Streaming-Plattform von CH Media soll das «Schweizer Netflix» werden. Wie wollen Sie das schaffen?
Diese Aussage muss im richtigen Kontext verstanden werden. Es geht uns nicht darum, grösser als Netflix werden zu wollen in der Schweiz, das wäre gar nicht möglich, da wir kein internationaler Grosskonzern sind. Aber wir werden unsere Nische auf dem Schweizer Markt finden, so wie wir sie auch im Free-TV gefunden haben, wo es ebenfalls Hunderte von Sendern gibt. Wenn uns im Streaming Ähnliches gelingt und wir auf einen zweistelligen Marktanteil kommen, dann wird unser Business Case sehr gut funktionieren.

Die Plattform wird als Freemium-Modell lanciert. Was ist das genau?
Es ist eine Mischform aus einer kostenlosen werberefinanzierten Version und einer exklusiven Abo-Variante.

Im Free-Bereich gibt es also wie im linearen Fernsehen laufend Werbeunterbrüche?
Nicht laufend, aber es wird hie und da Werbung geschaltet, sodass sie gut verträglich ist. Es wird vorwiegend Bewegtbild-Werbung sein und keine Bannerwerbung, da wir mit dem Streamingdienst eine Erlebniswelt kreieren wollen, in die die Zuschauerinnen und Zuschauer eintauchen und sich wohlfühlen können. Diese Erlebniswelt wollen wir nicht mit Banner Ads zerstören. Was im digitalen Raum auch nicht funktioniert, sind längere Werbeblöcke. Auf solche werden wir ebenfalls verzichten.

«Es mindert auch unser Risiko, da Fernsehproduktionen wahnsinnig teuer sind»

Nebst Eigenproduktion aus dem Free-TV werden auch Filme, Serien und Originals zu sehen sein. Bei den Originals ist erst die Schweizer Version von «First Dates» bekannt. Können Sie noch weitere verraten?
Es sind einige in Produktion, mehr kann ich dazu nicht sagen. Wir werden dies zu gegebener Zeit kommunizieren.

Weshalb sind die Formate aus dem deutschen Fernsehen so interessant für Sie?
Es gibt eine Format-Industrie, und die ist keine deutsche Erfindung. Bei guten Formaten weiss man, dass sie in vielen Ländern funktionieren, und durch deutsche Versionen werden diese Formate auch in der Schweiz bekannt. Davon profitieren wir, wenn wir aus international erfolgreichen Formaten Schweizer Eigenproduktionen produzieren. Viele wollen diese Schweizer Version kennenlernen und schauen sie dann in der Regel lieber als die ausländischen Versionen. Es mindert ein Stückweit auch unser Risiko, da Fernsehproduktionen wahnsinnig teuer sind. Wichtig ist aber, wie wir die Schweizer Version gestalten und da sind Host und Cast entscheidend.

Wie gross ist Ihr Spielraum bei der Produktion eines solchen Formats?
Das ist von Format zu Format verschieden. Die Grundidee muss stimmen. Bei «First Dates» beispielsweise ist es das Dating, das muss auch bei der Schweizer Version im Mittelpunkt stehen. Bei der Wahl der Charaktere, die mitmachen, haben wir viele Freiheiten.

Wie viel kostet eine Lizenz, etwa für «First Dates»?
Wir nennen keine Zahlen. Aber diese Formate sind professionelle Multi-Kamera-Produktionen, die einen grossen Aufwand bedeuten und dementsprechend ein stattliches Produktionsbudget haben. Uns als Privatanbieter muss es gelingen, möglichst kosteneffizient zu produzieren, manchmal mit dem einen oder anderen Trick.

Was sind das für Tricks?
Wenn es für die Erzählform nicht wichtig ist und es der Zuschauer nicht merkt, kann beispielsweise eine Kamera weggelassen werden, oder wir mieten ein bestehendes Studio-Set, statt ein neues zu bauen. Für uns ist wichtig, nur das zu machen, was es tatsächlich auch braucht, um das Format zu einem Hit zu machen.



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Kommentare

  • Pierre Rothschild, 13.04.2021 11:15 Uhr
    Roger Elsener macht eine wirklich gute Arbeit, das kann man nur bewundern. Aber auch er kann den Markt nicht grösser machen und viele Ideen, die in grossen Ländern auch grosses Geld machen, sind in der Schweiz sehr riskant. Das bei drei Sprachen. Oft ist weniger doch mehr.
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