16.04.2020

Serie zum Coronavirus

«Eine extreme Situation ohne Vorbereitung»

Im Teil 23 unserer Serie: Medienpionier Roger Schawinski war seit einem Monat praktisch nie mehr draussen, dafür macht er Radio aus dem Homeoffice.
Serie zum Coronavirus: «Eine extreme Situation ohne Vorbereitung»
«Radio ist das ideale Medium, um gerade heute eine lebendige, vielfältige Community zu bilden»: Roger Schawinski im Homeoffice. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Schawinski, Ihre letzte TV-Talksendung liegt nun einige Wochen zurück. Waren Sie seither nochmals draussen?
Kaum.

Wie verbringen Sie den ganzen Tag?
Ich konsumiere sehr viel News über alle Medien und mache eine Stunde hartes Fitnesstraining. Und zusätzlich bin ich auch auf Netflix. Zurzeit bei der beeindruckenden DDR-Serie «Weissensee», die ich bisher verpasst habe.

Sie moderieren jeden Tag eine zweistündige Sondersendung zur ganzen Coronakrise. Welches war Ihre wichtigste Erkenntnis dabei?
Vor vier Wochen hatte ich die Idee: Jetzt müssen wir erstmals in der Schweiz Talk Radio machen, das heisst mit Hörerinnen und Hörern diskutieren und zusätzlich Experten mit Hintergrundinformationen aufschalten. Talk Radio ist in den USA seit sehr vielen Jahren ein sehr beliebtes Radioformat. Die Dringlichkeit der aktuellen Situation schrie förmlich danach, es auch bei uns zu versuchen. Am ersten Tag, genau vor vier Wochen, sendeten wir eine Stunde. Schon am Tag danach verlängerten wir auf zwei Stunden, weil die Nachfrage so gewaltig ist. Jeder Tag bringt neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen, neue Überraschungen. Wir machen dies sechsmal die Woche, von Sonntag bis Freitag. Und ich überlege, ob wir nicht bald auch den Samstag hinzufügen sollen.

Spüren Sie bereits eine gewisse Müdigkeit Ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer über die ganze Situation?
In keiner Weise. Immer wieder melden sich Hörerinnen und Hörer, die offenbar jede Sendung verfolgt haben und jeweils ab 10 Uhr morgens voll dabei sind. Ich sitze im Homeoffice, wo wir ein kleines Studio eingerichtet haben. Marc Jäggi ist im Studio und hat die Kontrolle. Zusammen funktioniert das hervorragend.

Welche Medien konsumieren Sie? Das Schweizer Fernsehen?
Alle Medien, national als auch international.

Haben Sie bereits einmal eine ähnliche Situation erlebt?
Vor vierzig Jahren kämpften wir vom Pizzo Groppera zusammen mit unseren Hörern um unser Radio. Jetzt ist dieses Groppera-Feeling zurück, wobei es diesmal um etwas viel Wichtigeres geht als um ein freies Radio: Um unser Verhalten in einer absoluten Extremsituation, auf die wir in keiner Weise vorbereitet waren. Radio ist das ideale Medium, um gerade heute eine lebendige, vielfältige Community zu bilden, wie wir täglich erleben. Radio 1 nimmt seine Verantwortung in dieser Ausnahmesituation deshalb wahr – erstaunlicherweise als einziger Sender.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis während des ganzen Lockdown?
Wie schnell man sich an die neue Situation gewöhnen kann. Und wie man das Zeitgefühl verliert. Jetzt ist es bereits mehr als ein Monat her, seit ich wie viele Millionen von Menschen in diese neue Lebensphase geworfen wurde, und ich weiss nicht, ob mir dies lang oder kurz erscheint. Alles ist recht unwirklich.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier

 



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