18.01.2023

Indiskretionsaffäre

Presseratschefin bricht eine Lanze für Blick-Redaktion

Der «Club» von SRF hat am Dienstag spontan über Informationslecks aus dem Bundesrat während der Coronapandemie und die Rolle von Ringier diskutiert. Presseratspräsidentin Susan Boos bezeichnete die Situation, in der die Blick-Redaktion zurzeit steckt, als «beschissen».
Indiskretionsaffäre: Presseratschefin bricht eine Lanze für Blick-Redaktion
War im «Club» zu Gast: Susan Boos, Präsidentin des Presserats und ehemalige Redaktionsleiterin der Woz. (Bild: Screenshot)
von Michèle Widmer

Die Informationslecks beim Bundesrat während der Coronapandemie waren am Dienstagabend Thema im «Club». Die SRF-Sendung hat kurzfristig das Programm umgestellt. Im Kreis sassen SVP-Nationalrat Alfred Heer, SP-Nationalrat Fabian Molina, Mitte-Ständerat Benedikt Würth, FDP-Ständerat Andrea Caroni, Journalistin und Presseratspräsidentin Susan Boos und Kommunikationsberater Patrick Senn. Auch Ringier-CEO Marc Walder sowie der ehemalige Kommunikationschef von Alain Berset, Peter Lauener, wurden für die Teilnahme angefragt, lehnten jedoch ab.

«Schweiz bekommt den Impfstoff», lautete der Titel eines Blick-Artikels, der aktuell kritisiert wird. Ob sie dieser Beitrag im Blick, noch bevor der Bundesrat überhaupt darüber diskutiert hat, nicht stutzig gemacht habe, fragte Moderatorin Barbara Lüthi in Richtung Susan Boos. «Nein, Indiskretionen sind ‹part of the game› – gerade im Journalismus. Es war damals eine Ausnahmesituation. Dass man als Journalistin oder Journalist zu dem Thema recherchiert, liegt auch im öffentlichen Interesse.»

Hier bringt sich Mitte-Ständerat Benedikt Würth ein. «Wir haben ein Öffentlichkeitsgesetz, das regelt, was eben nicht in die Öffentlichkeit gehört. Nämlich beispielsweise alles, was im Vorfeld von Regierungssitzungen zirkuliert. Wenn sie sagen, dass sei öffentliches Interesse, könnte man mehr oder weniger Bundesratssitzungen öffentlich machen. Aber dann funktioniert diese Regierung nicht mehr.» Alfred Heer springt für Boos in die Bresche und sagt: «Ich verstehe Frau Boos. Journalisten haben die Aufgabe, Öffentlichkeit zu schaffen. Das ist die Vierte Gewalt. Wir sollten in diesem Fall nicht auf die Journalisten losgehen.»

Boos bricht in der Sendung mehrfach eine Lanze für die Blick-Redaktion. Sie bezeichnet die Verbindung zwischen Marc Walder und Peter Lauener als «absolut skandalös». «Als Blick-Redaktion muss man sich total machtlos fühlen», sagt sie. An anderer Stelle nennt sie die Situation für die Redaktion «beschissen». Sie sagt: «Es gibt die berühmte chinesische Mauer, die bestehen sollte zwischen Redaktion und Verlag. Wenn Walder mit einem Kommunikationschef kommuniziert, kommt automatisch der Verdacht auf, dass Herr Walder der Redaktion sagt, was sie schreiben muss.» Sie fügt an: Der Blick «bemüht sich, seriösen Journalismus zu machen. Mit dem Verhalten von Walder stehen die Journalisten nun extrem schlecht da».

Danach wird über Umgang mit Leaks auf den Redaktionen diskutiert. Die Woz sei nicht die erste gewesen bei Leaks, sagt Boos, die früher Redaktionsleiterin der Wochenzeitung war, schmunzelnd. Generell müsse nicht nur Berset am Pranger stehen. Alle Bundesräte würden Politik damit betreiben, mit wem sie ein Interview machten, führt Boos aus. Meistens gebe es dann einen Deal, unter welchen Bedingungen das Interview stattfinde. Dann werde es medienethisch schwierig.

Später in der Sendung wird das Video mit Marc Walder eingeblendet, welches vor einem Jahr für Aufsehen sorgte. Darin hält Walder die Redaktionen dazu an, die Regierungen weltweit während der Pandemie zu stützen. «Das Video beweist, dass wir den Journalismus von den grossen Medienkonzernen befreien müssen», sagt Fabian Molina. Man müsse dafür sorgen, «dass es genug unabhängige Redaktionen gibt, die keine Angst haben müssen, dass ihre Verlage dreinreden.»

Die Schweiz am Wochenende hatte am Samstag berichtet, Bersets früherer Kommunikationschef Peter Lauener habe dem Blick-Verlag Ringier wiederholt vertrauliche Informationen zu geplanten Covid-Massnahmen des Bundesrates übermittelt (persoenlich.com berichtete). Weder Marc Walder noch Peter Lauener haben sich bislang öffentlich geäussert.

 

 



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