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Abschied von einem wunderbaren Freund

René Hildbrand

Ein Schock: Am Samstag verstarb Kurt Zurfluh völlig überraschend mit 67 Jahren an akutem Herzversagen und einer Lungenembolie. Es geschah auf einer Kubareise mit seinem besten Freund, Ländlerkönig Carlo Brunner. Schon nach der Landung in Havanna letzte Woche hatte sich Kurt unwohl gefühlt. Am Ostersamstag brach er zusammen, in einem Hotel, 400 Kilometer von Havanna entfernt. Carlo Brunner bestellte unverzüglich einen Krankenwagen und begleitete Kurt in ein nahes Spital. Dort verstarb der Innerschweizer binnen weniger Minuten. Seine langjährige Partnerin Barbara ist am Ostersonntag nach Kuba geflogen.

Noch am 9. April moderierte Kurt in Menznau ein Gedenkkonzert mit Carlo Brunner – für den vor zwei Jahren verstorbenen Luzerner Ländlerkönig Hans Muff. Danach war die Osterreise nach Kuba angesagt, die er mit Brunner schon vor Jahren geplant hatte. Mit ihren Partnerinnen Barbara und Erika hatten Kurt und Carlo vor einem Jahr gemeinsam Thailand bereist. Kurt schätzte und kannte das Land seit Jahrzehnten – und war der Reiseleiter. Im Land des Lächelns verbrachte der TV-Mann mit seiner Partnerin seit Jahren auch die Weihnachts-Feiertage. Im letzten September besuchten die beiden Australien. 

Kurt war ein «Reisefüdli». «Ein wenig schäffele, ein wenig pläuschle, ein wenig spörtle» lautete sein Lebensmotto nach seiner Pensionierung vor knapp fünf Jahren. Bei unserer letzten Begegnung vor Weihnachten bei einem Glas im Zürcher Bernhard-Theater hatte er mir geraten: «Arbeite weniger und reise häufiger mit deiner Frau.» Jetzt versuche ich vielleicht, die Worte von Kurt umzusetzen.

1970 stieg Kurt Zurfluh bei Radio und Fernsehen ein. Begonnen hatte er auf der Redaktion des Regionaljournals Zentralschweiz beim damaligen Radio DRS. Neben seiner Radiotätigkeit moderierte der Sportbegeisterte beim Schweizer Fernsehen viele Jahre das «Sportpanorma» und «Sport aktuell». Von 1996 bis 2012 präsentierte er am frühen Samstagabend im SRF-Programm 270 mal die Volksmusiksendung «Hopp de Bäse». Bei der Volksmusik fühlte er sich daheim. Sein Vorbild war Wysel Gyr (gest. 1999).

«In meinem Elternhaus in Brunnen lief halt oft Ländlermusik», berichtete mir Kurt einmal. Seine letzte Sendung 2012 in seinem Wohnort Weggis wurde zu einem riesigen TV-Fest. Carlo Brunner schenkte ihm zur Abschiedsparty die Eigenproduktion «Hopp de Bäse, Kurt». Mit einer Lobrede dabei war Kurts Duzfreund Dölf Ogi. 2014 gab Kurt ein TV-Comeback und moderierte bis vor kurzem die Sendereihe «Unterwegs» des Zentralschweizer Senders Tele 1.

Unvergessen: 1986 war Kurt Aussenreporter in Luzern bei «Wetten, dass..?». Damals noch moderiert von Frank Elstner, dem Erfinder der erfolgreichsten TV-Show Europas. Die Wette: Der Ruderklub Luzern zog in einem Achter den 320 Tonnen schweren Raddampfer «Schiller» in drei Minuten 30 Meter weit. Die Luzerner wurden Wettkönige. Für die Siegerehrung hechtete Zurfluh samt Kleidern in den Vierwaldstättersee. 25 Millionen Zuschauer waren riesig begeistert. Frank Elstner und sein Hallen-Publikum ebenso.

Dem starken Auftritt des Innerschweizers folgte ein Riesenecho. Und er hatte die «Wetten, dass..?»- Macher vom ZDF so überzeugt, dass er weitere Male als Aussenreporter verpflichtet wurde. Wenn immer ich Frank Elstner noch lange danach in Luxemburg oder Deutschland traf, fragte er mich ganz bestimmt: «Wie geht es eigentlich dem verrückten Zurfluh?» Auch Frank wird Kurt vermissen.

Kurt Zurfluh hat nicht nur viel und gut gearbeitet, er hatte auch gern und oft gefeiert – und in seinen jungen Jahren zünftig auf die Pauke gehauen. Es kam damals schon mal vor, dass er am Sonntagmorgen noch auf Festbänken tanzte und am Abend im Fernsehen moderierte. Ich erinnere mich, wie er eines Abends in einer beigen Wildlederjacke mit Schaffell-Kragen «Sport aktuell» moderierte. «Was soll denn dieses Outfit?», fragten sich die Zuschauer. Des Rätsels Lösung: Kurt hatte gerade keinen Kittel in der TV-Garderobe. Seine Chefs und das TV-Publikum hatten es dem Charmeur gern verziehen.

Das gibt es in keinem anderen Jahrgang: Gegen 40 Schweizerinnen und Schweizer aus Medien, Politik, Theater und Showbusiness haben Jahrgang 1950, auch ich. Darum wollten wir 1990 zu unserem 40. Geburtstag ein grosses Fest organisieren. Als einziger Kollege aus dem Ausland wäre Thomas Gottschalk eingeladen gewesen, auch er ein 50-er. «Da will ich aber auch dabei sein!», sagte mir Kurt damals. Als ich ihn freundschaftlich auf seinen Jahrgang 1949 aufmerksam machte, meinte er kleinlaut: «Ja, aber ich bin ja nur vier Monate älter als Du...» Weil wir uns zu spät an die Vorbereitungen gemacht hatten, kam der Anlass nicht zustande.

Sport war auch eine private Leidenschaft des Medienprofis. Einst traf ich den passionierten Velofahrer und «Gümmeler» in der Innerschweiz mit hochroter «Birne». Besonders glücklich war er beim Skifahren auf dem Hoch-Ybrig, für den er TV-Werbung machte und wo er eine Ferienwohnung besass. In der Luzerner Journalisten-Fussballmannschaft war er Goalie.

Lieber Kurt, wir beide waren blutjunge Journalisten, als wir uns in Luzern kennengelernt hatten. Als freier Mitarbeiter von verschiedenen Zeitungen, darunter die damaligen «Luzerner Neuesten Nachrichten», erschien damals in der LNN mein erstes Interview mit Dir. Edi Rudolf, in jener Zeit LNN-Sportchef und später Direktor der Schweizer Sporthilfe, setzte darüber den Titel «Der Mäni der Innerschweiz». Mit deinem guten Aussehen und vor allem wegen deiner gentlemen-liken Art hattest du tatsächlich Ähnlichkeit mit unserem Kollegen und Freund Mäni Weber. Auch wenn wir uns nicht häufig gesehen haben, waren unsere Zusammenkünfte jedes mal so, als hätten wir kurz zuvor gemeinsam einen gemütlichen Abend verbracht. Nie hast du uns Journalisten für eine Story gesucht. Aber du hast immer gerne mitgemacht, wenn wir eine über dich machen wollten. Du warst stets loyal zum Schweizer Fernsehen und zur SRG. Nie hast du mich zu korrigieren oder belehren versucht, wenn ich, wie so oft, kritisch über deine Arbeitgeberin geschrieben hatte. Nur wer glücklich ist wie du es warst, kann auch tolerant sein.

Vor mir liegt dein letzter Brief an mich. Deine Tinte hat sich inzwischen mit meinen Tränen vermischt. Ich hatte dir auf Wunsch mein neues Buch nach Weggis geschickt. Du hast mir danach geschrieben: «Deine persönliche und originelle Widmung hat mich speziell gefreut. Nach den Ferien werde ich mir dein Buch zu Gemüte führen. Und dann hörst du wieder von mir mit einer ‹kritischen Rezension›. Ich wünsche dir beste Gesundheit, alles Gute und freue mich sehr auf ein Wiedersehen, dein Kurt.» Es ist nicht mehr dazu gekommen.

Noch am Ostersamstag erschien in der «Zentralschweiz am Sonntag» eine heitere Kolumne von dir. Du hast meine kürzliche Tattoo-Kritik zum Thema genommen. Als deine Kolumne erschien, warst du bereits verstorben. Kurt, mit dir ging ein Menschenfreund. Ein Sonnyboy, gesellig, grosszügig und herzlich. Aber auch sensibel und tiefgründig. Darum liebten dich die Menschen. Darum schätzte ich dich so sehr.

Wir hatten nie gegenseitig Komplimente ausgetauscht. Von Mann zu Mann liegt uns das leider nicht so sehr. Vielleicht ist es jetzt doch noch nicht ganz zu spät dafür. Viel von Obigem wollte ich im bevorstehenden Frühsommer aussprechen. Wir planten, gemeinsam einen Sonnentag in deinem geliebten Weggis zu verbringen, über alte (TV-)Zeiten und viel anderes zu plaudern. Lieber Freund, jetzt müssen wir unser Treffen auf unbestimmte Zeit verschieben. Es wird nicht in Weggis stattfinden.

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