24.03.2021

Cookieless Chrome

Wie sich das User-Targeting ändern wird

Ab 2022 ist es aus für die Third-Party-Cookies auf Googles Chrome-Browser. Obwohl dies schon länger bekannt ist, sorgte die definitive Ankündigung für Aufsehen. Die Hintergründe.
Cookieless Chrome: Wie sich das User-Targeting ändern wird
Usertracking ohne Cookies: Ist so gezieltes Targeting noch möglich? Zwei Experten aus der Branche nehmen Stellung. (Collage persoenlich.com, Hintergrund: pixabay, Porträtbilder: zVg)
von Loric Lehmann

Google speichert ab kommendem Jahr in seinem Internet-Browser Chrome keine Cookies mehr ab. Dies verkündete der Internetriese in einem Blogeintrag. Bereits Anfang 2020 teilte Google mit, die Tracking-Cookies zu entfernen und kündigte Alternativen an (persoenlich.com berichtete).

Dies sorgte für Reaktionen in der Werbebranche. Alex Savic, Managing Director bei Teads Schweiz, meldete sich bei persoenlich.com. Er begrüsst grundsätzlich Verbesserungen des Datenschutzes durch Google. Diese Ankündigung sei auch nicht unerwartet gekommen, «wenn überhaupt, wurde sie überbewertet».

Für Savic steckt der Teufel aber im Detail: «Solche Updates sollten sich nicht allein auf das Werbeökosystem des offenen Internets beschränken oder ein Mittel für Google sein, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Um langfristig die Monetarisierung von Publishern zu gewährleisten, müssen wir sicherstellen, dass präzises Targeting nicht nur innerhalb von Walled Gardens und Social-Media-Plattformen möglich ist. Auch wenn das One-to-One-Marketing einen grossen Schlag einstecken wird, gibt es effektive alternative Targeting-Lösungen, die nachweislich zu positiven Marketingergebnissen führen.»

Google gegen das «Open Web»

Sam Lutz, Gründer der Digitalagentur Drop8 und dafür von IAB Switzerland als «Digital Entrepreneur of the Year» ausgezeichnet, beurteilt die Entwicklung gegenüber persoenlich.com folgendermassen: «Google hat damit ganz klar gezeigt, welche Bereiche ihnen am wichtigsten sind und in welchen Bereichen sie bereit sind, Verluste hinzunehmen, um ihre Perlen – vor allem Search und YouTube – zu schützen und die Mauern darum noch höher zu bauen.» Damit sprächen sie sich auch gegen das «Open Web» aus und nähmen Nachteile in ihren Technologien DV360 und Ad Exchange in Kauf.

Neu setzt Google auf «Federated Learning of Cohorts», kurz FLoC. Damit verspricht sich der Suchmaschinenriese eine Möglichkeit, Cookies von Drittanbietern effektiv aus der Werbegleichung herauszunehmen und stattdessen Einzelpersonen innerhalb grosser Menschenmengen mit gemeinsamen Interessen zu verstecken. Die Cookies werden so durch einen neuen Algorithmus ersetzt, der die Nutzer, deren Gewohnheiten und Vorlieben analysiert und sie in FLoCs zusammenfasst. Dabei handelt es sich um Gruppen von Personen, die dieselben Anzeigen erhalten könnten. Innerhalb dieser «Kohorten» finden sich also Menschen, die gemeinsame Merkmale aufweisen: beispielsweise Veganer mit Hochschulabschluss oder Interessenten an Familienautos.

Google wird Nutzer also weiter identifizieren und tracken. Auch werden weiterhin viele sensible Daten an Nutzerprofile geknüpft, ob es Bewegungsmuster via Maps, über die (eingeloggte) Google Suche oder aber über den YouTube-Verlauf ist.

Google tut dies nicht aus Goodwill

So überrascht es nicht, dass Google nicht aus Datenschutzgründen aufhört, Third-Party-Cookies abzuspeichern. Lutz: «Google erteilt nicht dem Tracking aus Privacy Gründen eine Absage, sondern einzig und allein Identifiern, die sie nicht besitzen und kontrollieren.» Für den durchschnittlichen Internet-Nutzer werde es aber immer schwieriger, den Überblick zu behalten, was genau getrackt werde und welche Nutzerdaten Google speichere. Hierzu verweist Lutz auf einen Blog des IAB Tech Lab zu diesem Thema.

Und was bedeutet dies für Werbetreibende? Ist präzises Targeting so noch möglich? Für Lutz keine Frage: «Sehr wohl, aber mit dem grossen Unterschied, dass endlich auch die Privatsphäre der Nutzer respektiert wird.» Somit werde die digitale Kommunikation mittel- und langfristig an Ansehen und Vertrauen bei den Nutzern gewinnen. Einerseits werden laut Lutz verschiedene ID Solutions wie NetID, LiveRamp, Unified ID das Targeting und Tracking weiterhin ermöglichen, andererseits werden aber auch Lösungen, die ohne jegliche Nutzerdaten auskommen, an Bedeutung gewinnen. Dazu gehöre sicherlich kontextuelles Targeting, das bei programmatisch umgesetzten Kampagnen bereits heute sehr effektiv und präzis sein könne, so Lutz.

Innerhalb dieser von den Tech-Riesen angestrebten «Walled Gardens» werden natürlich auch weiterhin Kampagnen mit ausgezeichnetem Targeting und Tracking möglich sein, wie Lutz weiter ausführt. Doch was bedeutet das für die bereits bestehende Übermacht von Google, Facebook und Co.? Im Open Web gebe Google mit dieser Strategie freiwillig einen Teil der Marktmacht ab, sagt Lutz. Innerhalb ihrer SSO-Plattformen würden sie aber versuchen, ihre bereits sehr dominante Marktstellung zu halten bzw. weiter auszubauen.

Lutz weiter: «Ob sie dadurch noch mächtiger, werden entscheidet am Schluss die Akzeptanz der Nutzer, ihre Daten weiterhin im grossen Stil mit Google zu teilen, das Interesse der Werbeauftraggeber an den Produkten, die daraus entstehen, und nicht zuletzt auch die Politik und Wettbewerbsbehörden von Europa und den USA.»

Was bedeutet dies für die Schweizer Werbebranche?

Für die Zukunft des Daten-Targeting hält Managing Director Savic bei Teads ein Zusammenspiel zwischen Plattformen, Vermarktern und Verbrauchern für nötig. Um dies zu erreichen, müsse die Branche in intelligente Technologien und ausgefeilte Algorithmen investieren, die es Marken ermöglichen, ihre Zielkonsumenten im richtigen Kontext zu erreichen, um den ROI zu steigern, ohne dabei die Privatsphäre zu gefährden, so Savic.

Und wie sieht der «Digital Entrepreneur of the Year» die Zukunft des Digital-Tracking? «Zusammengefasst hat sich nicht viel geändert. Aber was sich geändert hat, ist durchaus als sehr positiv zu werten. Endlich wird beim Targeting und Tracking der Privatsphäre der Nutzer genügend Respekt beigemessen und der Nutzer kontrolliert selber, wie seine Daten eingesetzt werden. Für das entsprechende Consent-Management ist der technische Standard bereits im vergangenen Jahr mit dem Transparency & Consent Framework 2.0 geschaffen worden.»

Für die Zukunft des Digital Tracking werden also neue ID-Lösungen benötigt, soweit sind sich viele in der Branche einig. Dass diese nicht mehr nur von einem Unternehmen kontrolliert werden, ist sicherlich ein Vorteil, wie Lutz meint. Als gute Beispiele nennt er hier die European NetID Foundation oder auch das Schweizer Joint Venture von Ringier und TX Group «OneLog».



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Kommentare

  • Walter Schärer, 24.03.2021 18:27 Uhr
    Dass Google die Privatsphäre "besser" respektieren will, ist eine feine Sache. Oder ein Feigenblatt, denn bis ein User im FLoC anonymisiert werden kann, ist er für Google trotzdem erstmal ein gläserner User? Damit ziehen sie ihren Walled Garden noch höher hinauf und grenzen Mitbewerber aus, indem sie ihnen keine Browser-Cookies mehr gewähren. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihnen das neuen Ärger mit der Wettbewerbsbehörde einbringt.
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