Die Entlassung von Uwe Justus Wenzel sorgt weiter für Aufruhr. Das zeigen nicht nur die immer noch eingehenden, aussergewöhnlich scharfen Kommentare auf einen entsprechenden Artikel von persoenlich.com.
Wenzels Entlassung sei «ein herber Verlust für die intelligente und offensive Vertretung der Geisteswissenschaften in den Medien», eine «Ohrfeige für alle intellektuellen und geisteswissenschaftlich interessierten Leser und Leserinnen», heisst es in den Kommentaren. Oder: «Wenn das so weiter geht, braucht man die NZZ bald nicht mehr zu lesen». Und nun formiert sich die Kritik.
70 Unterzeichner
Wie persoenlich.com weiss, hat eine Gruppe Wissenschaftler am Donnerstag einen Protestbrief verschickt – adressiert an den NZZ-Verwaltungsrat, Präsident Etienne Jornod, NZZ-Chefredaktor Eric Gujer und Feuilleton-Ressortleiter René Scheu. Unterzeichnet haben knapp 70 Akademiker – die meisten aus den Bereichen Geschichte, Sprache oder Philosophie – aus der Schweiz und dem nahen Ausland.
In den letzten gut zwei Jahren habe das Feuilleton einen massiven Aderlass erlebt, heisst es im Schreiben, das persoenlich.com vorliegt. Es geht nicht nur um Wenzel. Die «jahrelang vertrauten» und «fest angestellten» Mitarbeitenden Geisel, Güntner, Herzog, Köhler und Zitzmann haben die Kündigung erhalten, Hollenstein und Villiger-Heilig seien vorzeitig ausgeschieden, Breitenstein habe das Ressort gewechselt.
Nicht allein wirtschaftliche Gründe
«Es ist uns bewusst, dass auch andere prominente Redaktoren, insbesondere des Inland-Ressorts, die NZZ verlassen haben, und dass hinter solchen Entscheidungen immer verschiedene persönliche Gründe und personalpolitische Konstellationen stehen können, nicht zuletzt im Feuilleton», heisst es. Man verkenne auch das sehr schwierige wirtschaftliche Umfeld der Printmedien nicht. «Unser Eindruck ist aber, dass die personellen Entscheidungen der letzten Zeit nicht allein auf ökonomische Zwänge zurückzuführen sind.»
«Politische Öffnung am rechten Rand»
Der von Eric Gujer in Aussicht gestellte Ausbau (persoenlich.com berichtete) scheine vor allem durch den Einkauf und die Übersetzung fremdsprachiger Artikel zu erfolgen. «Dem zum Opfer fallen tendenziell die kontinuierliche intellektuelle Präsenz, disziplinäre Kompetenz und sprachliche Prägnanz von Redaktoren mit originellen Profilen in Zürich, aber auch von festangestellten Korrespondentinnen und Korrespondenten an zentralen Kulturstandorten wie Berlin, Paris oder New York». Ihre auch politische Eigenständigkeit und Ungebundenheit habe das Profil einer offenen, liberalen Diskussionskultur in der NZZ sehr stark geprägt, heisst es im Brief weiter. Man würde die personellen Veränderungen auch «als politische Öffnung am rechten Rand des Liberalismus oder hin zu einem bemüht unkonventionellen Libertarismus» deuten.
Die unterzeichnenden Akademiker befürchten, dass die personellen Folgen dazu führen, «dass die Horizonte verengt werden, das Niveau sinkt und damit die Strahlkraft der einzigen Schweizer Zeitung von internationaler Bedeutung nachhaltig eingeschränkt wird».
Den Protestbrief unterschrieben haben unter anderen: Urs Bitterli (Universität Zürich ), Valentin Groebner (Universität Luzern ), Michael Hagner (ETH Zürich ), Michael Hampe (ETH Zürich), Caspar Hirschi (Universität St. Gallen ), Andreas Kilcher (ETH Zürich ), Georg Kohler (Universität Zürich ), Thomas Maissen (Deutsches Historisches Institut Paris ), Carlo Moos (Universität Zürich), Peter Opitz (Universität Zürich ), Stefan Rebenich (Universität Bern ), Christoph Riedweg (Universtät Zürich), Bernd Roeck (Universität Zürich ), Ulrich Rudolph (Universität Zürich ), Ulrich Schmid (Universität St. Gallen ), Reinhard Schulze (Universität Bern ), Dieter Thomä (St. Gallen ), Markus Wild (Universität Basel ) oder Helmut Zander (Universität Fribourg).
KOMMENTARE
18.10.2017 13:39 Uhr
17.10.2017 14:32 Uhr
16.10.2017 14:08 Uhr
13.10.2017 19:44 Uhr
13.10.2017 17:08 Uhr
13.10.2017 16:39 Uhr