01.09.2020

Serie zum Coronavirus

«Auch James Bond kämpfte gegen Pandemien»

Folge 111: Digital-Experte Peter Wälty über sein neues Buch «The Goldfinger Files», Medien in der Coronakrise und seine berufliche Zukunft.
Serie zum Coronavirus: «Auch James Bond kämpfte gegen Pandemien»
«Die Alpensequenz von «The Goldfinger» hat ikonischen Charakter.»: Peter Wälty startet im November bei Ringier Axel Springer Schweiz. (Bild: Peter Wälty)
von Matthias Ackeret

Herr Wälty, Ihr Buch «The Goldfinger Files» wird diesen Donnerstag erstmals präsentiert. Was hat Sie inspiriert, dieses Buch zu veröffentlichen?
Die Schweizer Alpensequenz in «Goldfinger» hat ja ikonischen Charakter. Da kommt alles vor, was die DNA von James Bond ausmacht. Und da ich ja mit einem Freund schon mal ein Buch zum Thema geschrieben habe, war es naheliegend, die Entstehungsgeschichte eben dieser Sequenz unter die Lupe zu nehmen. Co-Autor Steffen Appel, den ich überhaupt nicht kannte, hat mich vor zwei Jahren an einem Samstagmorgen via FB kontaktiert und gefragt, ob ich am Nachmittag Zeit hätte. Er wär mit seinem Aston Martin DB5 in Andermatt und hätte mir ein paar Dinge zu zeigen. Da ich dringend noch Fahrpraxis für den Motorradschein brauchte, bin ich auf den Töff gestiegen und da hochgefahren. Da hat er mir dann Bilder gezeigt, die ich noch nie gesehen hatte. Phantastische Aufnahmen von Hans Gerber, der damals für Comet Photo unterwegs war. Die Idee zum Bildband hatte dann allerdings seine Frau Ines. Und wir sagten: Danke, Ines, das machen wir.

Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?
Zunächst mal haben wir weiteres Material gesammelt. Fündig wurden wir bei Blick-Fotoreporter Josef Ritler. Er war an zwei Tagen bei den Dreharbeiten dabei. Dann stiessen wir auf das Winnetou-Archiv in Göttingen, der Chef dort ist ein profunder Kenner der Unterhaltungsindustrie des deutschen Wirtschaftswunders. Er verwaltet unter anderem den Bild-Nachlass von Pierre Brice, Romy Schneider oder Klaus Kinski. Und auch den von Erich Kocian, ein damals bekannter Filmjournalist. Von ihm stammen zahlreiche Bilder im Band. Auch haben wir in den privaten Fotoarchiven der damals beteiligten Schweizer gestöbert. Die hatten teils eigene Goldfinger-Alben angelegt. Na und dann waren da etwa 14 Stunden aufgezeichnete Interviews mit damals beteiligten Personen. Ein paar davon hab ich schon 2008 gemacht. Das Material verteilten wir dann auf der Zeitachse von Sonntag, 5. bis Sonntag, 12. Juli 1964. Das war Detektivarbeit. Script, Callsheets, Interviews, Kleidung, Schattenwurf und Sonnenstand haben uns dabei geholfen.

Hatte James Bond einmal gegen Pandemien ankämpfen müssen?
Ohja. Die Idee dazu könnte von KenFM sein oder von diesem Vegan-Koch. In «On Her Majesty’s Secret Service» therapiert Blofeld auf dem Schilthorn ein Dutzend junge Allergikerinnen aus gutem Haus. In Tat und Wahrheit macht er sie durch nächtliche Hypnose zu Sleepern und plant, sie nach ihrer Entlassung zu gegebener Zeit zu aktivieren. Sie sollen mit ihren Parfum-Zerstäubern Erreger verbreiten und so eine weltweite Pandemie verursachen. Bond verhindert das natürlich.

Wieviel Goldfinger-Erinnerung gibt es heute noch in der Schweiz?
Massenhaft. Nehmen Sie nur mal die Tankstelle in Andermatt. Oder das Hotel Belvedère oder Galenstock auf der Furka. Es ist echt erstaunlich, wie wenig Andermatt Tourismus aus dieser Heritage macht. Wir geben übrigens noch einen Separatdruck zum Buch heraus, er heisst «The Goldfinger Guide». Etwa 40 Locations, die man als Goldfinger-Archäologe unbedingt besuchen muss. Den Guide gibts gratis an der Vernissage.

«Wer möchte schon nicht James Bond sein?»

Was war die grösste Herausforderung bei diesem Buch?
Was Produktion und Zusammenarbeit mit dem Verleger Steidl anbelangt, lief alles wie am Schnürchen. Und dann kam Corona. Das Buch ist seit Februar fertig. Und wir wollten es mit der Lancierung des Films im April herausgeben. Der Film wurde auf November verschoben, damit auch das Buch. Da es aber zunehmend unsicher wurde, ob der Film überhaupt je in die Kinos kommt, haben wir dann auch diesen Termin vorverlegt. 

persoenlich.com hat Sie einmal als «James Bond des Onlinejournalismus» bezeichnet. Schmeichelt Ihnen das – oder stört Sie es?
Nein, es stört mich nicht. Wer möchte schon nicht James Bond sein? Ein grosszügiges Spesenreglement, schnittiger Dienstwagen und eine Licence to kill, was will man mehr im Job?

Sie sind im Oktober bei Ringier ausgestiegen. Was ist Ihre momentane Haupttätigkeit neben James Bond?
Ich bereite mich grade für die Segelschiffprüfung vor. Nicht unanspruchsvoll das Ganze. Und vor allem eine recht militärische Angelegenheit, mit teils schwer nachvollziehbaren Kommandos in einer eigenen Sprache. Aber es gefällt mir sehr. Lesen tu ich auch viel derzeit. Übers Segeln oder dann hab ich grad Douglas Murrays Strange Suicide of Europe beendet und bin am Folgewerk The Madness of Crowds. Aber falls Sie nach meiner beruflichen Zukunft fragen: Am ersten November steig ich bei meinem Ex-Chef Alexander Theobald für ein befristetes Mandat bei RASCH ein.

«Ich ärgerte mich über die mediale Berichterstattung in der Coronazeit»

Wie erleben Sie die ganze Coronazeit?
Die ersten zwei Wochen im März waren wie in einem dystopischen Film. So «The Day After»-mässig. Und als ich mich vom ersten Schock erholt hatte, ärgerte ich mich über die mediale Berichterstattung. Und tue es auch heute noch. Haben diese Datenjournalisten eigentlich die geringste Ahnung von Statistik? Wie kann man den Lesern tagtäglich die Fallzahlen um die Ohren hauen, ohne die Relation zur Gesamtzahl der Tests anzugeben? Und wie kann man diese Tests als aussagekräftig betrachten, wenn nicht eine Zufallsstichprobe aus der Bevölkerung abgebildet wird? Wir stehen hier und heute gemäss BAG bei einer Positivitätsrate von 3 Prozent. Seit der Aufhebung des Shutdowns pendelt diese Zahl ständig irgendwo zwischen 2 und 6 Prozent. Es gibt seit der Aufhebung des Shutdowns kaum Tote und keinerlei Überbelegung in den Spitälern. Für mich schwer nachvollziehbar, wieso die Massnahmen wieder verschärft werden. 

Wie wird es die Medien verändern?
So wie es bereits mehrfach kommuniziert wurde. Es wird nochmal scharf abgebaut werden. Betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, für die Betroffenen natürlich eine Tragödie.

Wo haben Sie Ihre Ferien verbracht?
Am Neuenburgersee, wo die Familie meiner Partnerin ein Haus mit Seeanstoss besitzt. Dann auf dem Zürichsee. Und im August waren wir ein paar Tage auf einem Segeltörn vor Ischia und Procida – auf den Spuren von Mr. Ripley. In diesem Zusammenhang muss man schon sagen: Italien ist, wenn man es als Tourist besucht, einfach ein grossartiges Land: Landschaft, Leute, das Essen. Man vergisst das immer wieder.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Ich denke, diesen Sommer hat sich das Ansinnen der Woke-Bewegung mit aller Deutlichkeit manifestiert – mehrheitlich unhinterfragt von den meisten Medien. Und das irritiert mich doch einigermassen. So sehr die Anliegen im Einzelnen oft nachvollziehbar scheinen, betrachte ich die Vehemenz und die Kompromisslosigkeit in der Diskussion seitens der Social-Justice-Warriors als Gefahr für eine liberale Gesellschaft und die demokratische Idee des «agree to disagree». Ich treffe derzeit kaum jemanden, und zwar egal aus welchem politischen Spektrum, der diese Ansicht nicht auch teilen würde. Genauso irritierend sind aber auch die teils völlig verpeilten Corona-Verschwörungstheoretiker.


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.

 

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Die Vernissage des Buches «The Goldfinger Files» (Steidl Verlag) von Steffen Appel und Peter Wälty ist am Donnerstag, 3. September, in der Bar Resident, Kreuzstrasse 24 in Zürich, ab 18 Uhr, statt. Anmeldung: thegoldfinger@gmail.com



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