06.01.2021

Dreikönigstagung 2021

«Corona war das beste Gattungsmarketing»

Werbetreibende interessieren sich für Bewegtbild und individuelle Lösungen, um speziell aufzufallen. Wichtig ist Technologie, etwa: einfache Zahlprozesse für Leserinnen und Leser. Dies ging unter anderem aus der Podiumsdiskussion an der virtuellen Dreikönigstagung hervor.
Dreikönigstagung 2021: «Corona war das beste Gattungsmarketing»
Diskutierten im TeleZüri-Studio über Werbe- und Nutzermarkt (v.l.): Moderator Hugo Bigi, Sigrun Albert (NZZ), Thomas Kundert (Somedia) und Philipp Mankowski (Goldbach Publishing). (Bild: Angelica Muritu)

Die traditionelle Dreikönigstagung hat es so noch nie gegeben. Die 22. Ausgabe wurde am Mittwoch aufgrund der Coronakrise virtuell und in verkürzter Form durchgeführt. Den anderthalbstündigen Livestream, gesendet aus dem Talkstudio von TeleZüri, verfolgten durchgehend rund 350 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Die Hälfte der Dreikönigstagung beanspruchte die Paneldiskussion «Was hat Corona im Werbe- und Nutzermarkt bewirkt – wie geht es weiter?». Moderator Hugo Bigi stellte einleitend fest, dass Corona den Medienhäusern zwar mehr Nutzerinnen und Nutzer gebracht habe, aber weniger Einnahmen. «Zwar hat uns Corona viel Arbeit gemacht, wir haben aber auf der Nutzermarktseite auch viele positive Effekte gesehen», sagte Sigrun Albert, Leiterin Produkte bei der NZZ-Mediengruppe. So sei unter anderem das Ziel der 200'000 zahlenden Abonnenten deutlich früher als geplant erreicht worden (persoenlich.com berichtete).

«Mittelfristig hat uns Corona geholfen, effizienter und digitaler zu werden», bilanzierte Thomas Kundert, CEO von Somedia. Dem pflichtete auch Philipp Mankowski, Managing Director bei Goldbach Publishing, bei: «Die Effizienz hat ganz stark dazu beigetragen, dass auch Kosten reduziert werden konnten. Entscheidungen wurden viel schneller getroffen.»

Grosse Angebotspalette ist gefragt

Digital fit zu sein, sei das grosse Thema im Moment, so Bigi. Er wollte von den Podiumsteilnehmenden wissen, welche Anstrengungen sie unternehmen, um junge Menschen zu erreichen. «Die NZZ tut eine Menge, um neue Zielgruppen zu erschliessen. Wir sehen diese allerdings nicht nur bei den jungen Erwachsenen, sondern auch in Deutschland», so Albert. Deutsche Leserinnen und Leser seien stark interessiert am Schweizer Qualitätsjournalismus.

«Das Allerwichtigste, was sowohl für den Nutzer- als auch für den Werbemarkt gilt: Man muss sich der Zielgruppe annähern und sie verstehen», sagte Mankowski. Das Fazit von Befragungen sei: «Auch junge Zielgruppen haben das Bedürfnis, qualitativen Journalismus zu erleben.» US-Präsident Donald Trump habe dabei den Qualitätsmedien in die Hände gespielt. «Niemand will Fake News.» Das Zeitalter, in dem Journalisten vorgeben, was man zu lesen habe, gehe jedoch langsam zu Ende, so Mankowski weiter. «Die Nutzer wollen selbst aussuchen, was sie lesen möchten. Das bedeutet aber, dass wir mehr Vielfalt anbieten müssen.» 20 Minuten reagierte auf dieses Nutzerbedürfnis mit dem Videoformat «20 Minuten Now!». Die Werbekunden seien daran sehr interessiert. «Das Schöne ist, dass man ganz neue Möglichkeiten hat, auch Native Videos zu integrieren. Das ist ein neues und gefragtes Format», sagte Mankowski.

Jahrelang von der lokal-regionalen Verankerung profitierte bislang das Südostschweizer Medienhaus Somedia. «Während der Coronakrise hat auch der lokal-regionale Werbemarkt sehr stark nachgelassen», so Kundert. «Der frühere Millimeter-Verkauf, den man über Jahre gepflegt hat, wird immer anspruchsvoller. Hier müssen wir wegkommen von ‹Stangenlösungen›. Die Kunden wollen heute individuelle Lösungen, um speziell aufzufallen.» Hier seien die Vermarkter besonders stark gefordert, so der CEO von Somedia.

Mit oder ohne Werbung?

Welches Finanzierungsmodell denn wirklich eine Zukunft habe, wollte Moderator Bigi wissen: Abomodell mit Werbung oder ohne? «Meine These ist, dass beides Erfolg haben kann und Erfolg haben wird», so Albert von der NZZ. Wie beim publizistischen Angebot müsse man auch bei der Abofrage die Auswahl den Kundinnen und Kunden überlassen. «Aus wirtschaftlicher Sicht finde ich persönlich es natürlich schöner, wenn ein Abo mit Werbung den Kunden begeistert.» Sowohl in Deutschland als auch in der Deutschschweiz sei aber das Interesse an werbefreien Abos deutlich gestiegen: «Die Leute sagen: Okay, ich zahl jeden Monat nochmals eine Extrasumme drauf, dafür, dass mir die Werbung ausgeblendet wird.» Das sei aber für die Werbekunden auch eine gute Botschaft: «Nur dort wird die Werbung noch eingeblendet, wo die Kunden auch an Werbebotschaften interessiert sind», so Albert.

Laut Mankowski hat sich das klassische Monatsabo durchgesetzt. «Ich glaube, dass das klassische Abomodell, welches auch durch Werbung finanziert ist, Zukunft haben wird.» Werbefreie Abos seien bei Goldbach Publishing, welche unter anderem die Titel der TX Group vermarktet, bislang noch ein Nischenprodukt. «Wenn sich aber dieser Trend durchsetzt, ist es ja gut, wenn der Nutzer bereit ist, doppelt oder mehr zu bezahlen.»

Der wichtigste Absatzkanal sei die Website des zu verkaufenden Produkts, so Kundert von Somedia: «Wenn dort aber die Zahlprozesse zu kompliziert sind, dann nützen die besten Massnahmen zur Kundengewinnung auf irgendwelchen Kanälen nichts.»

Weniger Eigenwerbung in der NZZ

Bigi stellte fest, dass in der NZZ kaum noch Eigeninserate zu finden sind. Durch Kosteneinsparungen seien auch die Umfänge in den Zeitungen reduziert worden, so Albert. «Wir sind der Meinung: Früher hatten wir deutlich zu viele Eigeninserate – teils einfach als Lückenfüller.» Nun würden Eigeninserate gezielter eingesetzt, in der Hoffnung, dass sich die Wirkung erhöhe. «Zudem bin ich der Meinung, dass Corona das beste Gattungsmarketing war, was uns passieren konnte – so tragisch die Sache insgesamt auch ist», sagte Albert weiter. Medien hätten beweisen können, dass verlässlich und seriös aufbereitete Informationen es wert seien, dafür auch zu bezahlen.


Die drei Podiumsteilnehmenden wagten zum Abschluss noch einen Ausblick. «Die Kosten im Blick zu behalten, ist auch wichtig in der unmittelbaren Zukunft. Wir wissen ja auch nicht, wann die Krise vorbei sein wird und wie wir die Wirtschaft anschliessend vorfinden», so Albert von der NZZ. Kundert, CEO von Somedia, hat sich vorgenommen, im laufenden Jahr im Werbemarkt «ganz leicht mehr» Umsatz zu machen als 2020. Mankowski von Goldbach Publishing zitierte einen bekannten Satz: «Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.» Er sehe 2020 grundsätzlich als «Ausnahmejahr» und sehe dem neuen Jahr etwas optimistischer entgegen.

Mediengesetz nicht auf die lange Bank schieben

Noch vor der Podiumsdiskussion wurde im TeleZüri-Studio als Gastredner Gerold Bührer begrüsst. Der frühere FDP-Präsident und alt Nationalrat forderte im Gespräch mit Moderator Hugo Bigi, dass das im Parlament diskutierte neue Mediengesetz «nicht auf die lange Bank» gerate. «Ich hätte von Beginn weg bevorzugt, dass die indirekte Medienförderung abgetrennt durch die direkte Medienförderung durch den Rat hätte gebracht werden sollen», so Bührer. Er hoffe, dass nun «die Knoten gelöst» werden können und das Paket nicht erst 2023 in Kraft trete. Wichtig sei, dass die Branche geschlossen auftrete. «Wenn das nicht der Fall ist, haben wir ein erstes Eigentor geschossen.»

Den Auftakt zur 22. Dreikönigstagung machte die Ansprache von Pietro Supino, Präsident des Verlegerverbandes Schweizer Medien und Verleger der TX Group. Supino kritisierte, dass das Potenzial der sozialen Medien nicht nachhaltig hätte genutzt werden können (persoenlich.com berichtete). Am Schluss seiner Rede kündigte Supino den neuen Geschäftsführer des VSM an: Stefan Wabel.

Traditionell wird an der Verlegertagung eine Königin oder ein König gekürt – so auch bei der virtuellen Austragung. Unter allen Anmeldungen wurde Stefan Heini, Leiter Unternehmenskommunikation CH Media, ausgewählt. «Ich hab fast den Kaffee rausgeprustet», sagte Heini mit einem Lachen gegenüber persoenlich.com.

Die nächste Dreikönigstagung findet am 5. Januar 2022 statt.


Newsletter wird abonniert...

Newsletter abonnieren

Wollen Sie Artikel wie diesen in Ihrer Mailbox? Erhalten Sie frühmorgens die relevantesten Branchennews in kompakter Form.

Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Die Branchennews täglich erhalten!

Jetzt Newsletter abonnieren.