30.12.2019

Persönlichkeiten 2019

«Ich verstehe Führung als dienende Aufgabe»

Die stellvertretende SRG-Generaldirektorin und RTR-Direktorin Ladina Heimgartner gab Mitte Dezember ihre Schlüssel ab. Aufs neue Jahr wechselt die 39-Jährige in die Geschäftsleitung von Ringier. Ein Gespräch über ihren Führungsstil, ausgepresste Zitronen und ihre persönliche Bucket List.
Persönlichkeiten 2019: «Ich verstehe Führung als dienende Aufgabe»
«Die allermeisten Reaktionen waren wohlwollend und wertschätzend», sagt Ladina Heimgartner. Sie verlässt die SRG und wechselt zu Ringier. (Bild: Nicola Pitaro)

Frau Heimgartner, am Dienstag haben Sie Ihren letzten Arbeitstag bei der SRG. Was überwiegt: Freude oder Wehmut?
Freude und zwar zweierlei Hinsicht: Freude, dass mir der Abschied so viel Wehmut bereitet. Das zeigt, wie wichtig, prägend und leidenschaftlich die letzten 13 Jahre in der SRG waren. Aber auch viel Vorfreude auf die neue Herausforderung bei Ringier.

Und wie feiern Sie Ihren Abschied?
Mir lag am Herzen, einen schönen Abend mit meinem Churer Team und meinen engsten Weggefährten zu verbringen. Das hat stattgefunden und meine Kolleginnen und Kollegen haben mich mit einem tollen Abend überrascht, was mich unglaublich gefreut hat.

2007 fingen Sie bei RTR an. Was bleibt von diesen fast 13 Jahren hängen?
Sicher einmal das Handwerk. Ich habe als Radioreporterin begonnen, habe da über Gemeindeversammlungen, Laientheater oder Schneemangel berichtet und so das Handwerk von der Pike auf gelernt. Hinzu kamen dann die ersten Gehversuche in der Führung: Ich war 28 als ich mein erstes Ressort übernommen habe und musste oft ins kalte Wasser springen, was aber zu einer recht steilen Lernkurve geführt hat. Mit der Zeit entwickelt sich Erfahrung und so etwas wie ein persönlicher Führungsstil. Und dann natürlich die «No Billag»-Abstimmung: Eine herausfordernde, aber auch bereichernde Erfahrung, die ich wohl nie vergessen werde.

«Macht spielt für mich keine grosse Rolle»

2017 wurden Sie zur stellvertretenden Generaldirektorin der SRG ernannt (persoenlich.com berichtete). Wie fühlt sich so viel Macht an?
Ich verstehe Führung als dienende Aufgabe, Macht spielt für mich keine grosse Rolle. Ich habe jedoch immer versucht, diese Funktion aktiv und nicht nur passiv zu interpretieren. So habe ich die SRG oft als Referentin oder auf Podien vertreten und wichtige Anliegen, wie zum Beispiel das interne Service-public-Verständnis oder die Gleichstellung und Diversität im Unternehmen, konsequent vorangetrieben.

2019 wurde bekannt, dass die SRG die Themen Gleichstellung und Diversität in Angriff nehmen will. Warum ist Ihnen das ein Anliegen?
Weil es hier in der Schweiz, in der Politik, der Wirtschaft, in den Medien und auch in der SRG noch viel zu tun gibt. Als SRG sind wir der gesamten Gesellschaft verpflichtet, diese besteht zur Hälfte aus Frauen, sie besteht aus jüngeren und älteren Menschen, aus Menschen, die seit Generationen in der Schweiz verankert sind, aber auch solchen, die neu zugezogen sind. Gleichstellung und Diversität stellen sich nicht «einfach so» ein – das Management muss sich klar dazu bekennen und intensiv dafür arbeiten. Erfreulicherweise gelangen immer mehr Menschen zur Einsicht, dass dieser Einsatz sowohl einen gesellschaftlichen Mehrwert wie auch ein ökonomisches Payback liefert.

Im SRG-Kader arbeiten nur 29 Prozent Frauen. Hatten Sie da manchmal einen schweren Stand?
Doch, oft! Zuerst war meine Strategie, mich an der männlichen Mehrheitsmeinung zu orientieren, um Akzeptanz zu finden – was natürlich Blödsinn, aber halt auch mein ganz persönlicher Weg zur Emanzipation war. Später habe ich meine Meinung immer offen und bewusst aktiv eingebracht in der Überzeugung, dass Diversität unter Gremienmitgliedern nur dann etwas bringt, wenn sich diese auch bemerkbar macht.

«Wir haben entschieden, die Zitrone nicht einfach auszupressen»

Inwiefern haben die laufenden Sparmassnahmen Ihren Arbeitsalltag bestimmt?
Stark und stetig. Sicher, die SRG geniesst aufgrund der Gebühreneinnahmen eine weitreichende Planungssicherheit: 1,2 Milliarden Franken jährlich sind praktisch «gesichert» – was ja die wenigsten Unternehmen behaupten können. Wie andere Medienhäuser, muss sich die SRG aber aktuell ebenfalls rückläufigen Werbeeinnahmen stellen und jede Million, die eingespart werden muss, hat Einfluss auf Menschen, Arbeitsstellen, Programm und damit auch das Publikum. In der RTR-Geschäftsleitung haben wir entschieden, die Zitrone nicht einfach auszupressen, sondern die Unternehmenseinheit aufgrund von strategischen Prioritäten quasi neu zu denken, im Rahmen der veränderten finanziellen Situation.

Welches Ereignis war für Sie 2019 das Wichtigste?
Privat sicher der Einzug in unser kleines Reihenhäuschen in Oerlikon. Aus publizistischer Sicht waren die Wahlen ein Highlight, vor allem bei uns in Graubünden, wo es gleich mehrere Überraschungen gab. Da schlägt mein Journalistinnenherz schon höher.

Sie wohnen mit Ihrer Partnerin in Chur und in Zürich. Geben Sie Ihre Wohnung in Chur bald auf?
Ja, die geben wir auf. Wir haben Verwandtschaft in Laax und Scuol und sind somit auch weiterhin mit Graubünden verbunden und werden auch regelmässig dort anzutreffen sein.

Sie persönlich haben kürzlich auch für Schlagzeilen gesorgt: 2020 wechseln Sie zu Ringier. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Es kamen sehr rasch sehr viele Reaktionen – aus dem Haus, von extern, sogar von Menschen, die ich gar nicht kenne. Der Tenor war quasi unisono: Schade für die SRG, aber nach 13 Jahren absolut nachvollziehbar.

Gab es auch negative Reaktionen?
Ja. Diese habe ich aber eher gespürt als gehört.

Inwiefern?
Es gibt ja verschiedene Formen, um Missfallen ohne Worte auszudrücken. Zum Beispiel eben genau in Form von demonstrativem Schweigen. Das waren aber wirklich Ausnahmen. Die allermeisten Reaktionen waren wohlwollend und wertschätzend. 

«Das eine Bein tänzelt ganz automatisch in Richtung der künftigen Aufgaben»

Stehen Sie mit einem Bein bereits bei Ringier an der Zürcher Dufourstrasse?
Sobald ein solcher Entscheid gefallen ist, tänzelt das eine Bein ganz automatisch in Richtung der künftigen Aufgaben. Natürlich habe ich begonnen, viel genauer und intensiver zu verfolgen, was in und um Ringier läuft, habe gewisse Kontakte geknüpft und die eine oder andere Skizze zu meinem Verantwortungsbereich angefertigt. Die Vorfreude ist gross, der Respekt auch.

Sie werden verantwortlich sein für den neu geschaffenen Bereich Corporate Services. Freuen Sie sich darauf, künftig vermehrt mit externen Journalisten zu tun haben?
Ich hatte eigentlich fast immer ein gutes Einvernehmen mit Journalistinnen und Journalisten. Vielleicht, weil ich selbst auch eine war und daher die Bedürfnisse aus eigener Erfahrung kenne. Die Unternehmenskommunikation wird aber nur ein Teil meines Verantwortungsbereichs sein. Daneben werde ich mich um die Managementabläufe der Ringier AG kümmern und stark in strategische Projektarbeiten involviert sein. Ringier ist ein sehr solid verankertes Schweizer Familienunternehmen, das in den Journalismus investiert, den Sprung in die digitale Welt geschafft hat und auch international erfolgreich unterwegs ist. Die Herausforderungen bleiben aber – wie für alle Medienhäuser – gross und zahlreich und wenn ich hier etwas zu deren Bewältigung beitragen kann, freut und motiviert mich dies sehr.

Was wünschen Sie sich fürs 2020?
Gesundheit für meine Lieben und mich. Und vielleicht ein Abendessen in Tanja Grandits' Restaurant in Basel. Das steht schon lange auf meiner Bucket List …

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In der Serie «Persönlichkeiten 2019» lassen wir Menschen, die im vergangenen Jahr von sich reden machten, nochmals zu Wort kommen. Weitere «Persönlichkeiten 2019» finden Sie unten aufgelistet sowie auf der Übersichtsseite.

 


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