02.08.2022

Untersuchung

Verunsicherung bei den Medienhäusern

Die Verlagshäuser sind besorgt: Durch die Tätigkeit des Sonderermittlers Peter Marti werde die Pressefreiheit gefährdet. Prominente Journalisten wie Res Strehle, Thomas Knellwolf, Kurt Pelda, Marcel Gyr und Marc Tribelhorn wurden bereits einvernommen, wie persoenlich.com erfahren hat.
Untersuchung: Verunsicherung bei den Medienhäusern
Bundesrat Alain Berset (links) und Ringier-CEO Marc Walder wird Medienberichten zufolge seit längerer Zeit ein «direkter Draht» nachgesagt. Nun wurden beide vom Sonderermittler Peter Marti befragt. (Bilder: Keystone/Alessandro della Valle/Peter Klaunzer)

Grosse Verunsicherung bei den Schweizer Medienhäusern wegen der Untersuchung des ausserordentlichen Sonderermittlers Peter Marti zu den möglichen Amtsgeheimnisverletzungen im Bundeshaus: Wie am Wochenende aus der NZZ am Sonntag bekannt wurde, sei auch Ringier-CEO Marc Walder wegen seiner engen Kontakte zu Gesundheitsminister Alain Berset und der Coronaberichterstattung des Blicks vernommen worden (persoenlich.com berichtete).  

Pressefreiheit strapaziert

Die Verlagshäuser sind nun alarmiert. Zwar stellen sie sich nicht gegen die Untersuchung des Sonderermittlers, befürchten aber, dass bei einer Verurteilung von recherchierenden Journalistinnen und Journalisten die Pressefreiheit strapaziert würde, da diese bei ihren Recherchen auf Informationsleaks in der Verwaltung angewiesen seien.

Es gäbe auch ein Recht auf Informationsbeschaffung. Sollten die Untersuchungen Martis weiter andauern, stelle sich langfristig die Frage, wie die Medien überhaupt noch professionell arbeiten und ein Netz von Gesprächspartnern aufbauen und erhalten könnten. Es gehe nicht an, so der einhellige Tenor bei den Schweizer Verlagshäusern, dass Medienschaffende für Amtsgeheimnisverletzungen verantwortlich gemacht würden. Offiziell gibt es bis jetzt aber keine einheitliche Stellungnahme. 

Prominente Journalisten vernommen 

Ursprünglich hat Sonderermittler Marti, ein pensionierter Zürcher Staatsanwalt und Oberrichter, zur Amtsgeheimnisverletzung bei der sogenannten «Cryptoaffäre» ermittelt. Wie bereits bekannt, wurde dabei im Frühjahr der ehemalige Pressechef von Bundesrat Alain Berset, Peter Lauener, für einige Tage in U-Haft gesetzt. Auch gegen den aktuellen Medienchef von Bundesrat Ignazio Cassis, Michael Steiner, und einen weiteren Mitarbeitenden des EDA wurde ein Strafverfahren eröffnet (persoenlich.com berichtete).

Wie persoenlich.com aus gut informierten Quellen weiss, seien zudem Res Strehle, Thomas Knellwolf (beide Tamedia), Kurt Pelda (damals Tamedia, heute CH Media), Marcel Gyr und Marc Tribelhorn (beide NZZ) zu ihren Recherchen bei der «Cryptoaffäre» befragt worden. Infolge dieser Untersuchung hat Marti seine Ermittlungen auch auf behördliche Datenleaks während der Coronazeit erweitert. 

Abmachung für Primeurs

Sonderermittler Peter Marti untersucht aktuell, ob es eine Abmachung gäbe, wonach Ringier als Gegenleistung zu vorgängigen, exklusiven Informationen aus dem Departement Berset ein positives Bild des Innen- und Gesundheitsministers in ihren Medien zeichne. Besonders im Visier sei dabei das Berset-Interview in der Zeitschrift «Interview by Ringier». Wie persoenlich.com weiss, sei in diesem Zusammenhang Walders Arbeitsplatz durchsucht worden. Neben Walder sei auch Bundesrat Berset selbst befragt worden. 


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KOMMENTARE

Eveline Heuss
03.08.2022 10:10 Uhr
Was hat das mit Recherche geschweige denn investigativem Journalismus zu tun, wenn man als Sprachrohr der Regierung oder einer Lobby unterwegs ist?!
Hans Peter Roth
02.08.2022 16:46 Uhr
Ich sehe es genau so wie Maja Ziegler und Roger Doelly. Gut auf den Punkt gebracht. Danke.
Roger Doelly
02.08.2022 15:42 Uhr
Und was Sache des gesunden Menschenverstandes und der Vernunft ist, definiert Fibo Deutsch? Sich von Anfang an auf eine Seite zu schlagen, wie Deutsch es ausdrückt, schliesst ergebnisoffene Recherche und damit guten Journalismus aus. Das ist das Problem.
Fibo Deutsch
02.08.2022 12:54 Uhr
Die angebliche grosse Verunsicherung in den Medienhäusern über vermeintliche Indiskretionen zwischen Bundesräten und Journalisten entspricht wohl eher dem Wunsch als Vater des Gedankens. Auch Konkurrenzjournalisten sollten Fakten mehr vertrauen als dem Hörensagen. Dass Ringier sich von Anfang an auf die Seite der Unterstützer der Corona-Impfkampagne des Bundesrates stellte, war nicht die Folge von obskuren Mauscheleien, sondern ganz einfach eine Sache des gesunden Menschenverstandes und der Vernunft. Restez à la Maison - und Impfen ist besser als Schimpfen...
Maja Ziegler
02.08.2022 09:03 Uhr
Recht so! Sonderermittler Marti soll der Sache auf den Grund gehen und lückenlos ab- und aufklären. Der Unmut einzelner Journalisten lässt tief blicken und erahnen, dass bezüglich Informationsfluss aus dem Bundeshaus an die Verlage einiges im Argen liegt. Die betroffenen Medien werden versuchen Marti in den Schmutz zu ziehen, das kommt aus meiner Sicht einem Geständnis gleich.
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