07.02.2019

Issue Management

«Ein Standardsatz als Reaktion löst das Problem nicht»

Simon Zogg, Leiter Kommunikationskanäle der ETH Zürich, referierte am Social Media Gipfel in Zürich über Issue Management. Im Interview sagt er, wie sein Team potenziell heikle Themen frühzeitig erkennt. Und er spricht über das vieldiskutierte Rapper-Video und die Lehren daraus.
Issue Management: «Ein Standardsatz als Reaktion löst das Problem nicht»
«Wir haben fast zwei Wochen lang Anfragen von Journalisten bearbeitet», sagt Simon Zogg von der ETH Zürich (im Bild) rückblickend auf den Wirbel um das Rapper-Video. (Bild: Boris Baldinger)
von Michèle Widmer

Herr Zogg*, die Community der ETH in den Sozialen Medien umfasst kanalübergreifend knapp 300’000 Personen. Wie ist das Team der ETH Zürich aufgestellt, um das zu kontrollieren?
Viele Themen lassen sich gar nicht kontrollieren, da auf Social Media sehr viel neben den offiziellen Kanälen passiert. Wir ermuntern ja beispielsweise auch die Professoren, sich auf Social Media zu präsentieren und stellen dazu Guidelines zur Verfügung. Für die offiziellen Social-Media-Kanäle der ETH trägt bei uns im Team jeweils eine Person die Tagesverantwortung. Die gesamte Kommunikationsabteilung liefert den Content und die jeweils verantwortliche Person bespielt die verschiedenen Kanäle damit. Sie schaut, wo wir reagieren müssen und gibt Anfragen intern weiter.

Welche sind für die ETH die wichtigsten Kanäle?
Das ist unterschiedlich je nach Zielgruppe. Auf LinkedIn erreichen wir die meisten Personen. Hier sind vor allem Alumni, also ehemalige Studentinnen und Studenten, aktiv. In der Wissenschafts-Community ist es Twitter, dort sind viele Professoren präsent und berichten über ihre Forschungsresultate. Auf Facebook ist die Zielgruppe am wenigsten definierbar, sie wächst hier auch am wenigsten. Zunehmend ist die Community auf Instagram. Auf diesem Kanal erreichen wir die junge Zielgruppe, die Studierenden. Hier posten wir andere Inhalte als auf den anderen Kanälen.
 

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Mit welchem Tools arbeiten Sie, um Themen frühzeitig zu erkennen?

Wir nutzen Falcon als Social-Media-Management-Tool. Es ermöglicht uns eine Übersicht über alle Kanäle und zeigt, wo die ETH erwähnt und wo Fragen gestellt wurden. Wir können auf Falcon Anstehendes abarbeiten und sehen, was bereits erledigt wurde. Wichtig für uns: Wir können mit einem Klick mehrere Kanäle bedienen. Wir könnten die Anzahl Kanäle mit unseren Ressourcen nicht mehr bewältigen, ohne ein solches Tool – gerade auch mit den wechselnden Tagesdiensten.

«Wir haben mit der Community auf Social Media wenig Probleme»

Wann intervenieren Sie auf Social Media und wann nicht?
Grundsätzlich muss die Kritik konstruktiv daherkommen. Bei einem Hate-Kommentar kann man nicht viel machen. Und wir müssen einen Nutzen darin sehen, zu reagieren. Zum Beispiel wenn jemand eine Frage stellt. Oder wenn wir ein Missverständnis auflösen wollen. Wenn wir uns einmischen, dann so, dass es der betroffenen Person hoffentlich etwas bringt. Ein Standardsatz als Reaktion löst das Problem nicht.

Wo haben Sie die Chancen des Issue Managements gut genutzt? Können Sie ein Beispiel nennen?
Im vergangenen Mai gab es rassistische Kritzeleien bei einem Studierendenheim auf dem Hönggerberg. Durch das Monitoring auf Social Media sind wir früh darauf aufmerksam geworden und konnten die richtigen internen Stellen informieren. Diese führten vor Ort kurzfristig eine Informationsveranstaltung durch und konnten das Thema so auffangen. Zudem waren wir auf der Kommunikation für allfällige Anfragen der Medien vorbereitet. Dank der Früherkennung auf Social Media können wir interne Stellen auf ein mögliches Issue aufmerksam machen. Aber generell kann ich sagen: Wir haben mit der Community auf Social Media wenig Probleme. In den klassischen Medien haben wir es mit mehr Issues zu tun.

«Für ein nächstes Mal wollen wir besser vorbereitet sein»

Journalisten sind kritischer als die Community?
So ist es. Die Community besteht grösstenteils aus Fans. Sie posten und kommentieren vor allem positiv. Journalisten hingegen sind keine Fans, sie müssen kritisch sein.

Ein Beispiel, wo Community und Medien negativ reagiert haben, ist das Rapper-Video im vergangenen November. Mit etwas zeitlichem Abstand – was haben Sie damals falsch gemacht?
Im Nachhinein betrachtet, gab es viele Komponenten, die wir hätten bedenken müssen. Das Video bietet extrem viel Angriffsfläche. Das war natürlich auch bewusst gewählt, um Aufmerksamkeit zu generieren. Aber wir haben das Negativpotenzial im Vorfeld des Filmstarts unterschätzt. Die Diskussion um das Video hat vor allem auf Youtube einen negativen Drall erhalten. Für ein nächstes Mal wollen wir besser vorbereitet sein, um das aufzufangen. Aber man sollte auch die positive Seite sehen. Die vielen emotionalen Reaktionen auf das Video haben gezeigt, wie stark die Identifikation der Community mit der ETH ist.


Was werden Sie anders machen? Gibt es künftig keine frechen Spots mehr von der ETH?

Wir müssen neue Formen suchen, um auf unsere Inhalte aufmerksam zu machen. Wenn niemand zuschaut, ist es schade um jede Investition. Unser Imagefilm vom Sommer 2017 ist frech und modern und kam super an. Mit dem Rapper-Video sind wir vielleicht einen Schritt zu weit gegangen. Wir werden uns künftig verstärkt auf unsere Inhalte aus Forschung und Lehre konzentrieren. Die Form hingegen soll auch in Zukunft überraschen.

Das Video sorgte nicht nur in Social Media, sondern auch bei den Medien für viel Wirbel. Wie haben Sie an diesem Tag reagiert?
Dass das Video zu einem solchen Medienthema wird, hätten wir nicht erwartet. Wir haben fast zwei Wochen lang Anfragen von Journalisten bearbeitet. Am Tag nach der Aufschaltung haben wir mit einer Videoumfrage bei den Studierenden, um bei ihnen den Puls zu fühlen.


Hätte man die Studierenden als Zielgruppe vielleicht nicht vorher befragen müssen?

Wir hatten beim Projekt mehrere Studierende an Bord. Aber – und das ist ein weiteres Learning – wenn Personen stark in einem Projekt mitarbeiten, überträgt sich die Begeisterung und das Feedback fällt zu wenig kritisch aus. Wir werden unsere Zielgruppe künftig zu einem späteren Zeitpunkt nochmals härter befragen. 

Für die ETH umgesetzt hat das Video Seed. Arbeiten Sie auch weiterhin mit der Agentur zusammen?
Wir arbeiten im Video-Bereich mit verschiedenen Partnern zusammen und Seed kommt für uns auch in Zukunft in Frage, wenn wir passende Projekte ins Auge fassen.

Ganz generell: Welche Rolle spielt der Brand ETH beim Issue Management?
Grundsätzlich besetzt die Marke viele Themen, die viel Zuspruch erhalten, Bildung oder Forschung zum Beispiel. Das hilft uns sehr. Die ETH ist in der Schweiz vor allem auch dank ihren Professorinnen und Professoren eine gewichtige Stimme und interessiert stark.

Welche Themen der ETH können potenziell negative Reaktionen auslösen?
Wie gesagt haben wir auf Social Media generell wenig harte Diskussionen. Aber Themen wie Klimaforschung, Energiefragen, Gentechnologie oder auch Tierversuche polarisieren und werden natürlich auf allen Kanälen kritisch beäugt.


Bilder zum Social Media Gipfel vom Mittwochmorgen finden Sie hier.



*Simon Zogg
studierte an der Universität Zürich Publizistikwissenschaften und Betriebswirtschaft. Er arbeitete bei der Axa Winterthur, bei der Swiss Life und beim Ingenieurs- und IT-Dienstleister Zühlke. Seit September 2016 arbeitet er an der ETH Zürich und leitet zusammen mit Nicole Kasielke den Bereich Kommunikationskanäle.



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