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Ist die Werbung noch zu retten?

Andreas Humbel

Die Pandemie hat dramatische Veränderungen im Konsumverhalten und im sozialen Zusammenhalt erzwungen. Diese Veränderungen bringen einen Anpassungsdruck mit sich und die propagierten Lösungsansätze sind vielfältig:

«Kreative in den Onlineverkauf»

Wer sich auf eine Kommunikationssparte fokussiert hat, ist darauf angewiesen, diese für die Kreativen besonders attraktiv zu porträtieren. Dies vielleicht im Wissen, dass eine Fokussierung der Kreation dem Kunden insgesamt am Ende gemeinhin eher schadet.

«Unternehmensleistung gleich Haltung»

Wer sich nicht auf neue Trends einlassen will, tut dies häufig, weil diese, ohne Gewissheit auf ein positives Resultat, destabilisierend sind. Kommunikationsinvestitionen in die Haltung einer Marke zu gesellschaftlichen und kulturellen Themen (purpose) zu stecken, muss da wirken wie Sprengfallen auf dem Weg zum nächsten erfolgreichen Markenaudit.

«Kampagnen, die kulturellen Wandel anstossen, sind wirtschaftlich erfolglos»

Wer kulturverändernde Kampagnen klein redet, indem Umsatz als Erfolgsindikator dargestellt wird, argumentiert komplett am Thema vorbei. Wir träumen doch alle davon, dass sich grosse Unternehmen kulturelle Veränderungen auf die Fahnen schreiben. Dies sollen sie nicht tun, weil es (noch) mehr Geld bringt, sondern weil es das Richtige ist. Kultursensorische Fühler auszustrecken, ist aber für Markenberatungen und Kunden neu, aufwendig und vielleicht noch wenig erprobt. Da ist es einfacher, alles mit dem Verweis auf Abverkäufe in die Tonne zu treten! Grrrr!

In allen Fällen sehe ich Kahnemans «WYSIATI» (what you see is all there is = Was Du siehst, ist alles, was es gibt) am Werk. Das bedeutet, dass die Darstellung einiger Möglichkeiten den Blick auf anderes, nicht Erwähntes, Mutiges versperrt.

Dove schreibt die Geschichte der «echten Schönheit» weiter und verändert die Welt damit

Eine Idee wie «Real Beauty» (Echte Schönheit) könnte niemals in einer Kommunikations-Unterabteilung entstehen. Sie würde wohl nicht das Licht der Welt erblicken oder in einer Blase in einem der sozialen Kanäle versauern.

Dove hat schon authentisch überzeugt, als «purpose» noch kein Trend war

«Real Beauty» katapultiert aber auch das Trendthema «purpose» weit über die Unternehmensleistung hinaus und ist als Ausdruck wirklicher Haltung eben keine Promomasche, sondern ein Pfeil im Köcher derer, die sich markenstrategisch dem «langen Spiel» verschrieben haben.

Mix aus Haltung und Marketing zeigt dem Kunden eine echte, lebendige Marke im «Jetzt»

Viel Dove-Kommunikation beschreitet normale Wege, denn es muss nicht alles nur noch «purpose» sein. Byron Sharps mentale und physische Verfügbarkeit ist ja nicht ausser Kraft gesetzt und Umsatz ist unbestritten wichtig – WYSIATI! Doch «Real Beauty» ist ganz und gar nicht zur Unkenntlichkeit verwischt:

«Show us – it‘s on us» ist eine grandiose Fortsetzung, bei der Schwergewichte wie Magnum Ice Cream (Unilever) ganz ohne Aufsehen einschwenken und so beweisen, dass es funktioniert.


Gewohnt verkopft wird man einwenden, dass diese Firmen nur mitmachen, weil sie kostenlos zu einem Fotomodell kommen. Das mag sein. Als Stratege kann ich aber nachempfinden, dass diejenigen, die innerhalb einer Organisation für eine solche Idee einstehen, für das «Gratis»-Argument gegenüber dem Management sehr dankbar sind.

Es ist sehr bedauerlich, dass alles, was uns eine Ausrede liefert, nicht mutig zu sein, so überaus willkommen ist.

Agenturen, die sich «human insight» getriebene Kreativität (tiefes Verständnis für den Menschen + Kreativität) auf die Fahnen geschrieben haben, verstehen mit Kreativität umzugehen, und bringen so Marken voran. Sie schrecken nicht vor Neuem zurück, sondern suchen und wagen es mit jedem Kundenprojekt aufs Neue.

Die Werbung retten, mit kreativen Lösungen auf Unternehmensebene

Diese einzigartige Fähigkeit muss auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet werden, damit es – ganz nach Rosser Reeves – zum USP wird. So wie sich eine Unternehmensberatung nicht auf den COO alleine als idealen Kunden fokussiert, müssen wir nicht nur gegenüber dem CMO sondern unternehmensweit Kreativität als «Signature System» für Problemlösung propagieren.

Auftraggeber, die ihre Agentur mit ihrem ganzen Unternehmen herausfordern, statt nur Werbung einzukaufen, werden zu völlig neuen Markenan- und -einsichten geführt (dann traut sich auch keiner mehr, nach George zu fragen).



Andreas Humbel ist Gründer von Across The Line, einer Agentur für «Creative Solutions». 

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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Kommentare

  • Dieter Widmer, 20.04.2021 10:00 Uhr
    Die Werebesprache mag besonders originell sein. Aber alles schwadroniert, was Andreas Humbel sagt. Für die Konsumenten ist letztlich entscheidend, ob das Produkt gut ist. Hier offenbart der Textbeitrag gravierende Mängel, weil er auf die Qualität des Produktes gar nicht eingeht. Die Haltung einer Unternehmung interessiert mich wenig, ist höchstens drittrangig.
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