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Silicon Swiss ist Realität

Manfred Klemann

Der wunderbare Erfolg des World Web Forums in Zürich Oerlikon mit seinen zweitausend Teilnehmern an zwei Tagen zeigt: Zürich, die Schweiz sind in der ersten Liga der digitalen Evolution angekommen. Gründer Fabian Hediger kann stolz sein: Timing (direkt nach dem World Economic Forum) und Rednerliste (unter anderem der Mann, mit dem alles begann: Tim Berners-Lee. Wann bekommt er endlich den Nobelpreis?) waren fabelhaft, die Abläufe werden immer besser, die Kommunikation zwischen «etablierten» Kräften und den jungen Besuchern ist vielfältig angeregt.

Auch die breit angelegte Initiative Digital Switzerland, in der alles dabei ist, was Rang und Namen hat im heimischen Markt, bestätigt den Eindruck, dass hier ein europäisches Silicon Valley entstehen kann oder schon entstanden ist. Dass Google, noch immer der Massstab der digitalen Welt, bald fünftausend Mitarbeiter in Zürich beschäftigen wird, zeigt die Richtung von Silicon Swiss auf. Seit einigen Monaten fliegen täglich zwei Swiss-Grossraumflugzeuge nach San Francisco. Wer da mitfliegt und die Gespräche der Gäste belauscht, hört gleich, dass hier kaum Touristen an Bord sind, sondern - Techies, Snapchats und Instagrams.

Die Realität wird zu einem Diskurs der virtuellen Realitäten. Und der Shuttle zwischen Kloten und San Francisco / Silicon Valley (der Flughafen liegt ja vom Stadtkern San Franciscos und vom Kern des «Tals» – also Stanford – ziemlich gleich weit entfernt) beweist, dass hier eine Verbindung steht, die fruchtbar für alle Seiten ist.

Auch die Schweizer «Provinz» profitiert offensichtlich vom unternehmens- und innovationsfreundlichen Ruf des Landes. Wenn ich im «Güterhof» in Schaffhausen sitze, sind immer Tische mit rege (englisch) diskutierenden jungen Menschen besetzt, die aus den in Schaffhausen beheimateten internationalen Digital-Konzernen kommen. Wie Groupon oder Garmin. Dazu kommen weitere Holding-Gesellschaften und erstaunlich viele Venture- und Finanzdienstleister, die sich in der IWC-Stadt wohlfühlen.

Silicon Swiss ist also Realität, und ganz erstaunlich scheint mir, dass hier die Jungfrau zum Kind gekommen ist. Die digitalen Kinder haben ihre Mutter selbst ausgesucht; die Strukturen in Form von Initiativen (Digital Switzerland), Kongressen und Steuerdiskussionen («Wie besteuere ich Start-ups richtig?») werden erst jetzt geschaffen. Und dies ist ja ein Merkmal der neuen digitalen Wirtschaft. Sie legt einfach mal los, sucht sich selbst Räume und «Garagen» und Freiflächen und schaut dann, was passiert. Und hier ist es für einmal überhaupt nicht schlimm, wenn die Politik hinterherläuft. Die neuen Strukturen schaffen sich selbst, und die Politik kann sie dann in ein geordnetes System überführen.

Die Schweiz als gallisches Dorf in Europa kann für einmal sichtbar profitieren von ihrem Sonderstatus. Gerade in einer aufregenden Trump-Zeit wird der sichere Hafen der Neutralität und Freiheit, auch für die jungen Heisssporne an der Spitze der grossen, neuen digitalen Unternehmen, wichtig. Und natürlich sind sie alle lebenslustig, fahren gerne Ski in den Bergen, gerne Teslas auf den Strassen und schwimmen gerne in den tiefblauen Seen des Landes. Und vor allem: Die neuen Nerds sind zwar viele Stunden hinter ihren Computern, aber wenn sie dann mal das Gerät zugeklappt haben, wollen sie Qualität und Feiern in Gastro, Clubs und Kultur.

Der neue Nerd ist auch ein Foodporn, ein Clubfreak, ein Theatergänger. Und da ist die kleine Stadt Zürich ja nun mal absolute Weltklasse. Und wenn Schweizer Eigengewächse wie Fabian Hediger, Marc Walder (CEO Ringier), Markus Gross (Disney Research) oder auch der Neo-Schweizer Ulrich Spiesshofer (ABB) den digitalen E-Wagen nach vorne beschleunigen, wird auch die «teure» Schweiz den aufkommenden Protektionismus in den USA mühelos für sich nutzen können. Es gibt natürlich Grenzen und -Mauern; aber nicht mehr in der digitalen Welt.

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