11.12.2020

Glanz & Gloria

«Wir berichten heute gehaltvoller als früher»

Am Montag geht das SRF-Gesellschaftsmagazin «G&G» erstmals mit dem neuen Namen «G&G – Gesichter und Geschichten» auf Sendung. Gibt es nun gar kein Glanz und Gloria mehr? Redaktionsleiterin Paola Biason über das neue Konzept, Kostensenkungen und Kurz-Talks.
Glanz & Gloria: «Wir berichten heute gehaltvoller als früher»
«Wir sind ein hochwertiges Gesellschaftsmagazin, das spannende Geschichten über spannende Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen erzählt», so Paola Biason, Redaktionsleiterin von «G&G». (Bild: SRF/Oscar Alessio)
von Christian Beck

Frau Biason, am Montag feiert «G&G – Gesichter und Geschichten» Premiere (persoenlich.com berichtete). Wie gross ist der Stein, der Ihnen vom Herzen fällt?
Kennen Sie den Uluru, besser bekannt als Ayers Rock? Nein, Scherz, aber er ist schon riesig! Wie sind ja schon lange startklar und voller Tatendrang, endlich mit dem neuen Konzept loslegen zu können.

Der neue Name und das neue Konzept wurden bereits im April 2019 verkündet. Wie mühsam war es für Sie, so lange nach dem alten Muster weitermachen zu müssen?
Ihre Frage widerspiegelt das gängige Vorurteil gegenüber «Glanz & Gloria». Wir haben uns inhaltlich schon seit Jahren weiterentwickelt, sind längst kein oberflächliches Cüplimagazin mehr, wie man es uns heute immer noch oft anhängen will. Der Wechsel des Namens auf «G&G – Gesichter und Geschichten» ist eine Anpassung an einen Inhalt, dem wir schon lange nachleben. Wir sind ein hochwertiges Gesellschaftsmagazin, das spannende Geschichten über spannende Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen erzählt. Wir berichten über Kulturschaffende, entdecken und fördern junge Talente und entwickeln neue Formate. Ach, wir machen schon so lange so Vieles. Schade, dass sich die Vorurteile uns gegenüber – oft in Unkenntnis unseres Formates – so hartnäckig halten. Das hat mein Team, übrigens alles ausgewiesene VJs, nicht verdient.

Geht es um Abbaumassnahmen bei SRF, hört man aber immer wieder Stimmen, die die Streichung von «G&G» fordern. Wie nahe gehen Ihnen solche Forderungen?
Sie überraschen mich nicht, denn es ist schicker, journalistisch anerkannte Recherche-Formate wie die «Rundschau» oder einen «Kassensturz» wertzuschätzen als ein infotainendes Gesellschaftsmagazin. Es ist der klassische Konflikt zwischen News und Unterhaltung. Ersteres betrachtet man als wichtig, Zweiteres nicht. Das ist so und wird immer so sein. Die Tatsache ist aber eine andere: Am Familientisch abends wird weniger über Polit- und Wirtschaftsthemen gesprochen. Man diskutiert eher die profanen Dinge des Lebens, Trennungen, Hochzeiten, Sensationen, Modeströmungen et cetera. Und genau darum braucht es auch ein Gesellschaftsmagazin.

«Jeden Stellenabbau haben wir souverän mit neuen Ideen gemeistert»

Mussten Sie intern um die Existenz Ihrer Sendung kämpfen?
Um «G&G Weekend» musste ich tatsächlich kämpfen. Zum Glück sind wir eine der kostengünstigsten Sendungen im SRF mit einem sehr agilen Team, das stets flexibel und positiv auf Neuerungen reagiert. Jeden Stellenabbau haben wir souverän mit neuen Ideen gemeistert. So haben wir «G&G Weekend» zu einer Best-of-Sendung gemacht, zeigen am Sonntagvorabend Wiederholungen unserer attraktivsten Beiträge der Woche mit unserer Kult-Rubrik, dem Harmonie-Quiz «Ich oder Du». Spannend ist, dass wir die Zuschauerzahlen seither fast verdoppelt haben. Unverzichtbar machen wir uns, indem wir bei Todesfällen alle tagesaktuellen Newssendungen mit Beiträgen beliefern und in kürzester Zeit Hommage-Spezialsendungen aus dem Boden stampfen. Irgendwie kann man uns einfach nicht absetzen, weil wir so innovativ sind und immer mit positiven Gegenvorschlägen kontern, die dann auch noch durch steigende Zuschauerzahlen belohnt werden. Ich glaube, meine Chefs verzweifeln manchmal wegen mir.

Ihre Chefs brüten Sparmassnahmen aus. Die erste Etappe des Stellenabbaus wird im Januar umgesetzt. Wie viele Stellen mussten Sie bei Ihrem Team bislang streichen?
Immer und immer wieder. Seit Beginn meines Chefinnen-Seins waren es total vier Vollzeitstellen. Auch jetzt befinden wir uns gerade in einer unsicheren Phase. Wir müssen ein Drittel mehr Sendezeit füllen, unsere zugesagte Stelle ist vorderhand aber auf Eis gelegt. Aber ich gehe seit eh und je mit dem Leitsatz durchs Leben: Es gibt immer eine Lösung. Mein Team hat den Satz mittlerweile auch verinnerlicht. Und wir fahren bestens damit. Denn es ist wirklich so: Es gibt immer irgendeine Lösung, man muss einfach positiv und offen sein dafür.

«Glamour impliziert Oberflächlichkeit»

Sie sagten es eingangs: «G&G» hat sich vom Peoplemagazin zum Gesellschaftsmagazin entwickelt. Warum wurde das nötig?
Glamour impliziert Oberflächlichkeit. Oberflächlich möchten wir aber nicht sein. Boulevardthemen sind zwar gefragt, das zeigen unsere konstant guten Zuschauerzahlen, aber sie müssen gehaltvoll sein und ethisch korrekt präsentiert werden. Auf Gerüchten basierende News oder irgendwelche Scheidungs- oder Erb-Schlammschlachten können zwar amüsant sein und werden diskutiert, passen aber nicht in einen öffentlichen Sender.

Eigentlich hätte «G&G – Gesichter und Geschichten» aus der neuen Studiolandschaft gesendet werden sollen. Nun haben Sie Ihr altes Studio umgebaut. Warum das?
Wie bereits kommuniziert wurde, kommt es bei der Inbetriebnahme der neuen Studiofläche im neuen News- und Sportcenter von SRF aufgrund der technischen Komplexität des Projekts zu Verzögerungen. Erste Sendungen können von dort frühestens ab Mitte 2021 produziert werden. Davon betroffen war auch «G&G – Gesichter und Geschichten». Da längere Zeit sehr ungewiss war, wann die neuen Studioflächen in Betrieb gehen können, wurde im Frühling der Grundsatzentscheid gefällt, den überfälligen Start von «G&G – Gesichter und Geschichten» unabhängig davon zu planen und vorerst das alte Studio umzubauen.

Werden Sie aber später noch in die neue Studiolandschaft umziehen – oder bleiben Sie nun im alten Studio?
Selbstverständlich werden wir in die neue Studiolandschaft umziehen, wir sind ja Teil des Newsrooms und möchten auch Teil dieser modernen Sendestruktur sein. Denn sehr viel Neues lässt sich im alten Studio leider gar noch nicht umsetzen. Wir werden beispielsweise keinen Screen für Liveschaltungen haben, wie er im neuen Studio geplant ist.

Verraten Sie uns: Welche Inhalte werden bei «G&G» neu?
Wir haben einige neue Rubriken am Start: In «Gerichte und Geschichten» erzählen wir die Entstehungsweise berühmter Speisen: Wer hat sie erfunden, wo wurden sie erstmals aufgetischt, wie kocht man sie richtig? In «Gesetze § Geschichten» stellen wir Frauen vor, die es im juristischen Bereich zu nationalem und internationalem Ruhm gebracht haben. Und in «Gekämpft und gewonnen» präsentieren wir Menschen, die Schicksalsschläge gemeistert haben und heute in der Musik, im Sport, in der Politik oder wo auch immer erfolgreich sind.

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Am Montag zeigen Sie den Zuschauern zum ersten Mal das neue Dekor. Was folgt nun auf Perlenketten und Glitzerlampen?
Sie können sich nicht vorstellen, wie glücklich wir mit dem neuen Dekor sind. In meinen Augen ist es edel, elegant, modern, Stil Industrie-Chic. Mehr möchte ich nicht verraten. Gelüftet wird das Geheimnis mit der ersten Sendung am Montag, den 14. Dezember um 18.40 Uhr.

Wird es künftig auch inhaltlich kein Glanz und Gloria mehr geben?
Klar wird es noch Glanz und Gloria geben. Gesellschaftsjournalismus ohne Galas mit rotem Teppich wäre auf lange Zeit hinaus ziemlich farblos. Aber man kann auch an einer Gala in die Tiefe gehen, indem man spannende Geschichten aufspürt.

Diese Woche wurde das alte Dekor abgebrochen und das neue aufgebaut. In dieser Zeit sendete «G&G» aus den Studios von «Puls», «Kassensturz» oder «Rundschau Talk». Wie zufrieden waren Sie bislang mit den Sendungen?
Für unsere Moderatoren/innen war die Realisation dieser «Homeless-Woche» die perfekte Vorbereitung für den täglichen Kurz-Talk, den wir in der neuen Sendung haben werden. Zudem konnten wir im Vorabend eine Crosspromotion auf die Sendungen im Hauptabendprogramm leisten. Eine Win-Win-Situation also für alle.

«Meiner Meinung nach schliessen sich Schönheit und Können nicht aus»

Sie selber sind seit dem Start von «G&G» im Jahr 2005 dabei, zuerst als Inputerin, später als Produzentin und seit 2015 als Leiterin. Wie stark hat sich die Sendung gewandelt seither?
Wir haben den Gesellschaftsradar ausgeweitet, Bereiche wie Kunst, Kulinarik Wissenschaft und auch Politik erschlossen. Wir bilden Premieren, CD-Taufen, Galas et cetera nicht mehr einfach nur ab und lassen Prominente ihre Meinung darüber kundtun, sondern vertiefen sie mit Geschichten. Wir berichten heute gehaltvoller als früher. Der Wandel wurde uns übrigens auch aufgezwungen. Hatten Miss- und Mister-Wahlen früher noch eine gewisse Bedeutung, sind sie heute gänzlich verschwunden. Ich persönlich, die übrigens in den Boulevardmedien gross geworden bin, bedauere das, aber das darf ich ja nicht laut sagen.

Wieso nicht?
Meiner Meinung nach schliessen sich Schönheit und Können nicht aus. So viele Schönheitsköniginnen haben es zu etwas gebracht. Denken Sie an Christa Rigozzi, Melanie Winiger, Lauriane Gilliéron, Tanja Gutmann, Renzo Blumenthal, Jan Bühlmann und Tobias Rentsch. Allesamt starke, talentierte Frauen und Männer, die einen sehr harten Parcours bis zum Berühmtsein durchlaufen haben und heute als Schauspielerinnen, Moderatorinnen, Werbeträger und Musiker arbeiten. Ohne Miss- oder Mister-Wahl gäbe es diese Persönlichkeiten nicht, und spontane Neuentdeckungen – vor allem im moderativen Bereich – fallen seit dem Wegfall von Schönheitswettbewerben leider auch weg. Übrigens: Auch «Samschtig-Jass»- und «SRF bi de Lüt»-Moderatorin Fabienne Bamert war einmal Miss-Kandidatin und gehört nun zu den gefragtesten TV-Gesichtern der Schweiz. Was soll daran falsch sein?

Offenbar machen Sie vieles richtig …
Unsere konstant hohen Zuschauerzahlen sprechen dafür, dass «G&G» die Menschen noch immer sehr interessiert. Die Reaktionen des Publikums, insbesondere die Reklamationen, zeigen aber, wie paradox das Ganze ist: Wenn wir beispielsweise eine Bachelorette oder einen Bachelor in der Sendung haben, schnellen die Zuschauerzahlen jeweils hoch. Gleichzeitig hagelt es aber auch Reklamationen, weshalb wir über diese Art von Prominenten berichten. Diese unterschiedliche Wahrnehmung macht es für uns nicht immer einfach.

Auch nicht einfach war das Jahr 2020 – bedingt durch Corona. Wie stark wurde «G&G» tangiert?
Nach einer sehr kurzen Schockstarre – was machen wir bloss ohne Anlässe? – hat Corona bei meinem Team eine enorme Kreativität ausgelöst. Wir haben Rubriken wie «Aglüted & Gfröget» lanciert, haben junge Filmschaffende einen fünfteiligen Corona-Film drehen lassen, haben auf Anlässe, die nicht stattgefunden haben, mit Nostalgie-Beiträgen reagiert. Wir haben Mini-Reportagen wie «Meine Sommeroase» und «Mein Wald», grössere Serien wie «Der goldene Güselsack» und «Die goldene Seifenkiste» produziert und vieles mehr. Ich platze fast vor Stolz auf dieses unglaublich ideenreiche Team, das sich von niemandem und nichts unterkriegen lässt.

Was wünschen Sie sich für 2021?
Für unsere Sendung: Keine weiteren Sparmassnahmen mehr und endlich den Respekt, den mein Team verdient. Dasselbe für das SRF. Ich finde, wir arbeiten in einem grossartigen Unternehmen, das mit dem Geld der Gebührenzahler sehr sorgsam umgeht.



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Kommentare

  • Thomas Läubli, 11.12.2020 00:54 Uhr
    Wenn man verschleiern will, dass man lieber auf Boulevard setzt als auf Inhalte, muss man nur das Prädikat "hochwertig" hinzufügen, damit man so tun kann, als würde man sich von den privaten Sendern abheben und den Leistungsauftrag erfüllen. Ich glaube aber nicht, dass sich das Publikum für dumm verkaufen lässt und diese Marketing-Masche des SRF nicht durchschaut.
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