14.05.2023

SwissMediaForum

«Marken brauchen den DJ-Bobo-Effekt»

In der Schweiz stehen im Herbst Wahlen an. Werber Dennis Lück gab am Medienkongress einen Einblick, wie erfolgreiche Politwerbung aussehen kann – mit einem Blick über die Grenze. Ein Gespräch über Dauerfeuerwerk, Ehrgeiz-Garantie und künstliche Intelligenz.
SwissMediaForum: «Marken brauchen den DJ-Bobo-Effekt»
«Wer extern Erfolg hat, gewinnt auch intern», so Dennis Lück, Mitgründer der Agentur BrinkertLück. (Bilder: SMF/Severin Bigler)
von Christian Beck

Dennis Lück, in der Schweiz stehen im Herbst die eidgenössischen Wahlen an. Wählen Sie jene Personen mit den besten Wahlplakaten?
Ich wähle jene Personen mit dem besten Wahlprogramm und den besten Wahlplakaten dazu. Wie bei jeder Marke gilt: Hinter den Plakaten braucht es auch Substanz.

Am SwissMediaForum wurden Sie angekündigt als «erfolgreicher Politwerber». Sehen Sie sich selbst als Politwerber?
Werber klingt schon schlimm. Politwerber klingt komplett Vergnügungssteuer-befreit. Und erfolgreich, na ja, man kann über alles streiten (lacht). Nein, ich sehe mich, wie bei jedem Job, den ich mache, als Übersetzer. Mein Job ist es, Botschaften kreativ zu übersetzen, sodass sie den Empfängern Freude machen und sie überzeugen. Ich bin ein Entertainer, der Markenlogos hinzufügt.

«Wir sind wie eine externe Energiequelle für unsere Kunden»

Sie haben mit Ihrer Agentur 2021 die Wahlkampagne für den deutschen SPD-Kandidaten Olaf Scholz gestaltet (persoenlich.com berichtete). Wir wissen alle: Scholz ist nun Bundeskanzler. Gibt es bei Ihnen sozusagen eine Wahlgarantie?
Na klar, wer gewinnen will, kommt zu uns. Spass beiseite, eine Wahlgarantie gibt es natürlich nicht. Aber was es bei uns gibt, ist eine Ehrgeiz-Garantie. Denn wenn wir da schon mitmachen, dann wollen wir gewinnen und dafür alles geben. Wir sind wie eine externe Energiequelle für unsere Kunden.

Ganz kurz: Was unterschied die SPD-Kampagne von der Wahlwerbung anderer deutscher Parteien?
Dass es keine klassische Politwerbung war, sondern dass wir uns gemeinsam vorgenommen haben: Die beste Kampagne des Jahres kommt nicht von Apple, Nike oder Adidas, sondern von der SPD. Wir wollten begeistern mit der Kommunikation und mit den Inhalten des Wahlkampfes. Das hat den Unterschied gemacht.

Nehmen wir den Wahlsieg der SPD genauer unter die Lupe. Sie haben an Ihrer Keynote die fünf wichtigsten Punkte aufgezeigt, die für den Gewinn der Stimmen wichtig waren. Punkt eins auf Ihrer Folie war: «Ehrgeiz ist geil.»
Es braucht einen gemeinsamen Spirit, einen gemeinsamen Glauben daran, dass alles möglich ist. Wenn dieser Ehrgeiz im Kernteam gleich hoch verteilt ist, wenn man nicht mehr spürt, wer ist hier Auftraggeber oder Auftragnehmer, dann hat man gute Chancen, etwas zu bewegen. «Ehrgeiz ist geil» drückt das aus, und nur mit der geteilten Grundeinstellung und nur mit diesem Willen gelingt so etwas.  

Ebenfalls wichtig und damit zu Punkt zwei: Es braucht eine Leitidee. Wie lautete diese im Fall der SPD?
Die Leitidee der SPD lautet «Soziale Politik für dich», abgeleitet aus dem Sprungbrett des «Gemeinwohls». Die SPD will, dass es allen gut geht. Und wenn es allen gut gehen soll, also Gemeinwohl entstehen kann, dann muss es auch dem Einzelnen gut gehen. Da kommt das «für dich» her. Und soziale Politik – dahinter verbirgt sich der volle Fokus auf das, was die SPD ausmacht.

Erklären Sie unseren Leserinnen und Lesern kurz den Punkt drei: der DJ-Bobo-Effekt.
Gerne, denn den liebe ich. Damit ist gemeint: Wer extern Erfolg hat, gewinnt auch intern. Bei DJ Bobo geht es natürlich um Anerkennung, die durch den zunehmenden Erfolg im Ausland auch im Inland grösser wurde. Übertragen wir das mal auf unsere Branche: Wenn eine Marke die externe Kommunikation dazu nutzt, um intern zu begeistern, dann rede ich vom DJ-Bobo-Effekt. Praktisch ist es dann eine kommunikative Verschmelzung von Employer Branding und Kampagnenarbeit nach aussen. Mit dieser Strategie kann man die Begeisterung für die eigene Marke entfachen. Das ist uns beispielsweise bei der SPD sehr gut gelungen.

«Markenbildung hat keinen Anfang und dann ein Ende»

Auch ein Feuerwerk darf nicht fehlen, um erfolgreich zu sein.
Richtig, wir wünschen uns immer ein Feuerwerk in der Kommunikation. Aber unsere Feuerwerke haben eine Kampagnenlogik, dauern dann vier Wochen und dann ist Ende Gelände. Das ist total falsch, wenn man über Markenbildung und Popularität reden möchte. Markenbildung braucht kein Feuerwerk, sondern ein Dauerfeuerwerk. Markenbildung hat auch keinen Anfang und dann ein Ende. Markenbildung ist immer.

Das war der Punkt vier. Und zum letzten Punkt für erfolgreichen Stimmenfang: Die neue Media-Wahrheit. Was meinen Sie damit?
Meines Erachtens ist eine neue Media-Wahrheit, dass wir nicht mehr in Kanälen denken müssen, sondern in der Art, wie Media und Kanäle wirken, wie sie die Zielgruppe nutzt oder empfindet oder wahrnimmt. Man kann alle Media-Kanäle beispielsweise in skippable und unskippable aufteilen (Anm. der Red.: überspringbar und unüberspringbar). Und ein knackiges Out of Home ist unskippable in dieser Logik. Auch PR-Arbeit über einen viralen Spot wird unskippable, aufgrund seiner Qualität oder einfach aufgrund der Tatsache, dass alle darüber reden. Wir haben gerade grosse Freude, so zu denken. Unskippable muss es sein.

Nicht überspringen lässt sich auch meine nächste Frage: Nach ihrer viel gelobten Keynote am SwissMediaForum sprachen Sie mit Moderatorin Maria Victoria Haas auch noch über das Schweizer Wahljahr. Was kann die Schweizer Politik vom SPD-Wahlkampf lernen?
Was man davon lernen kann, ist, dass politische Kommunikation von Inhalten begeistern kann. Wie jede andere Marke auch begeistern kann. Das ist das wichtigste Learning. Politische Inhalte sind nicht per se langweilig. Im Gegenteil, wir alle wollen Purpose und Sinnhaftigkeit: Na, dann hilf doch mit deiner Kreativität, die Kaufkraft im Land zu stärken und stabile Renten für alle zu sichern. Das sind doch viel coolere Themen als ein neuer Spot für eine Tomatensuppe. Und mit der Einstellung muss man an politische Kommunikation gehen.

Haben Sie hierzulande bei Wahlen schon mal gute Werbung gesehen?
Hier und da gibt es zarte Lichtblicke. Von der SP, von den Grünen, die Mitte legt auch gerade einen Zahn zu. Da entwickelt sich was. Aber: Das Flächendeckende fehlt noch. Eine Partei ist eine Marke, die überall gleich auftreten muss. Das gelingt noch sehr, sehr selten, ganz egal wo man hinschaut. Kraut und Rüben sind da immer noch hoch im Kurs.

Sie werden wiederum die Kampagne für die SP Schweiz machen. «Wir ergreifen Partei» lautet der Slogan laut einem Bericht der NZZ am Sonntag. Ist diese Leitidee für die Schweizer Sozialdemokraten nicht etwas austauschbar?
Nein, das ist sie nicht, denn sie wird nur halb zitiert. Die richtige Formulierung lautet: «Wir ergreifen Partei für eine soziale Schweiz». In «Wir ergreifen Partei» steckt das unermüdliche Engagement der SP, das ganz tief in ihrer DNA verankert ist, und in «für eine soziale Schweiz» stecken das Programm und die Ziele. Deshalb ist die Leitidee perfekt für die SP und alles andere als austauschbar. Und jetzt bricht sie sauber runter in beispielsweise «Wir ergreifen Partei für bezahlbare Kita-Plätze».

«Das Treffen war schon sehr skurril»

«Der Slogan ist heikel, weil er nur eine bestimmte Klientel anspricht, die das Wortspiel versteht», sagte SVP-Werber Alexander Segert in einem Interview mit der NZZ am Sonntag.
Da bin ich gegenüber Herrn Segert klar im Vorteil, denn meine Zielgruppe ist durchaus in der Lage, auch mal eine intellektuell anspruchsvolle Formulierung zu verarbeiten (lacht).

Wie empfanden Sie eigentlich dieses Doppelinterview mit Segert und Ihnen?
Das Treffen war schon sehr skurril. Da sitzt ein sehr nett wirkender Herr, der schon vom Verfassungsschutz gejagt wurde, Kontakte zur AfD pflegt und mit seiner Arbeit für die SVP die Schweiz aufhetzt. Mir tat es fast leid, dass er seine kreative Ader nur so nutzt und scheinbar auch nur so nutzen kann.

Würden Sie, wenn man Sie fragen würde, auch für die SVP werben?
Man hat mich schon gefragt. Auch dafür ist sich die SVP scheinbar nicht zu schade. Ich musste fast schmunzeln, habe dann aber dankend abgelehnt.

In der SonntagsZeitung warnt Moritz Zumbühl von der Agentur Feinheit vor dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) im Wahlkampf. Werden Sie für die SP auf KI setzen?
Es ist ein Riesenunterschied, ob ich sie zum Erstellen von Fake-Botschaften einsetze, oder ob ich mit Hilfe der KI die Media-Planung optimiere. Da würde ich sagen, ja gerne, lasst uns das anschauen.

Das heisst also, Sie verzichten bei der Kreation der Kampagne auf KI?
Zum Erstellen von Botschaften, ganz gleich, ob in visueller und textlicher Form, werden wir KI sicher nicht zum Einsatz kommen lassen. Fake-Anrufe, Fake-Ads, Fake-News, Fake-Bilder, Fake-Briefe – das ist der Teil, der schmutzig werden kann. Und dann ist es eine ethische und moralische Entscheidung einer Partei, auf solche Tools zu verzichten oder sie eben aggressiv einzusetzen. Wir werden das für diese Art von Kommunikation nicht tun. Aber dennoch kann man erahnen, dass der Schweizer Wahlkampf wahrscheinlich nicht ganz von KI-generierter Fake-Kommunikation verschont bleibt. Der moralische Kompass funktioniert nicht bei allen Parteien gleich gut (schmunzelt).

Zum Schluss machen wir noch Werbung in eigener Sache: Weshalb soll man dieses Interview lesen? Wenn Ihre Antwort gut ist, gibt es daraus das Titelzitat.
Oh, da gibt es doch ein paar, wie wäre es mit: «Ehrgeiz ist geil – wie ein Turnaround für eine Marke gelingt». Oder: «Marken brauchen den DJ-Bobo-Effekt – wie man extern und intern mitreisst». Das wären doch gute Titelzitate, oder (lacht)?



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Kommentare

  • Melinda Por, 16.05.2023 13:16 Uhr
    Sehr gutes und aufschkussreiches Interview, besten Dank und Dennis Lück weiterhin viel Erfolg.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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