16.02.2022

NZZ Magazin

«Ein digitales Standbein ist für jeden Printtitel ein Gewinn»

Die NZZ lanciert ein neues Portal für Reportagen, Essays oder Kolumnen und bündelt dort auch Inhalte der NZZ am Sonntag und der Magazine. NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer über das publizistische Konzept, Bezahlabos und den Wirbel um seine Ernennung vor fast einem Jahr.
NZZ Magazin: «Ein digitales Standbein ist für jeden Printtitel ein Gewinn»
«Ich erlebe das Team als sehr offen und engagiert», sagt NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer über die aktuelle Stimmung auf der Redaktion. (Bild: zVg)
von Michèle Widmer

Herr Projer, welche digitalen Magazine haben Sie in den letzten Jahren als Leser überzeugt?
Ich gehöre diesbezüglich zur älteren Generation und geniesse Wochentitel und Magazine gerne auf Papier. Das sind bei mir die NZZ am Sonntag, die Zeit, manchmal die Weltwoche und oft der Economist, der bei uns zu Hause die umstrittenste Ressource darstellt. Sie alle nutze ich auch digital. Zusätzlich und rein digital: The Atlantic und in den letzten Monaten Tortoise, deren Chefin uns einige gute Ideen schenkte.

Nun haben Sie als Chefredaktor der NZZ am Sonntag in den letzten Monaten ein neues eigenes Onlinemagazin aufgebaut.
Aufgebaut für die NZZ hat es vor allem Thomas Stamm, unser Leiter Digital, und ein interdisziplinäres Team aus Vermarktung, Produkt, Technologie und Redaktionen. Sie haben ein wunderschönes, in der UX bestechend einfaches NZZ Magazin gebaut – und das in Windeseile. Dies ist ihr Erfolg und ich bin ihnen zu grossem Dank verpflichtet.

Was war Ihnen bei diesem Projekt besonders wichtig? 
Erstens scheint es mir zwingend, die Magazine und den Wochentitel der NZZ auch digital zu vermarkten, mit einem eigenen Wachstumspfad. Wenn wir diese Form von Journalismus nicht auch auf diesem Weg an die Leserinnen verkaufen, verschwindet sie irgendwann. Zweitens ist ein digitales Standbein auch für jeden Printtitel ein Gewinn, gerade im hochqualitativen Segment. Es hält ihn frisch und relevant. Nehmen wir die NZZ am Sonntag: Die Zeitung erfreut sich einer breiten und treuen Leserschaft, die den Luxus einer gedruckten Zeitung schätzt. Doch natürlich sind diese gebildeten und einkommensstarken Printleserinnen zugleich digital vernetzt. Während sie die NZZ am Sonntag lesen, liegt ihr Mobile neben ihnen auf dem Tisch. Auch die beste Zeitung steht in Konkurrenz zu jeder digitalen Plattform. Es ist wichtig für eine Redaktion, sich dieser Konkurrenz publizistisch zu stellen.

Auf dem neuen Digitalmagazin werden nebst NZZaS-Inhalten auch Reportagen oder Interviews der NZZ-Titel Folio oder Geschichte online aufbereitet. Wer trägt am Schluss die publizistische Verantwortung? Bei wem liegt die Produktion?
Die publizistische Verantwortung liegt bei den jeweiligen Leiterinnen: Aline Wanner, Redaktionsleiterin NZZ Folio, Lea Haller, Redaktionsleiterin NZZ Geschichte, Nicole Althaus, Mitglied der Chefredaktion NZZ am Sonntag und Chefredaktorin Magazine, und mir. Was ins Magazin kommt, entscheidet das Digitalteam um Thomas Stamm und Boas Ruh, Leiter Produktion NZZ Magazin. Sie sind verantwortlich für den Mix, sie schlagen den Redaktionen Themen vor und produzieren eigene Digital-only-Inhalte. So beispielsweise unseren Stadtblog Metropolis, der von den Autoren Irène Troxler und Urs Bühler geleitet wird.

Wird es auch Recherchen geben, die zuerst und exklusiv auf NZZ Magazin zu lesen sind?
Klar. Sie können im NZZ Magazin schon heute herausragende Texte lesen, die im Print noch nicht erschienen sind. Aber wir tasten uns da sorgfältig heran. Denn die NZZ am Sonntag muss weiterhin jeden Sonntag überraschen und überzeugen. Dasselbe gilt analog für NZZ Folio und NZZ Geschichte.

Wie viele Geschichten pro Tag werden auf dem neuen Portal zu lesen sein?
Eine bis drei grosse Geschichten, drei bis fünf Zusatzinhalte fürs kleinere Zeitbudget. Plus die kompletten Inhalte aller Magazine aus dem Hause NZZ.

Wen konkret wollen Sie mit NZZ Magazin ansprechen?
Alle, die im Kontext der überwältigenden Newsflut eine Insel suchen. Ihnen bieten wir das, was ein Magazin ausmacht: Eine sorgfältige Auswahl von intelligenten Inhalten, die bewegen und inspirieren.

«Wir diskutieren über Premium-Werbeformate, welche ausgewählten Kunden einen exklusiven Auftritt ermöglichen»

Wer das NZZ Magazin lesen will, zahlt 19 Franken im Monat. Welche weiteren Abomöglichkeiten wird es geben?
Das NZZ Magazin ist auch in Kombination mit unseren NZZ-Abos erhältlich. Alle Angebote sind verfügbar im NZZ-Abo-Shop.

Inwiefern wird das Magazin auch werbefinanziert sein?
Wir diskutieren über Premium-Werbeformate, welche ausgewählten Kunden einen exklusiven Auftritt ermöglichen. Auch hier tasten wir uns heran. Was ich sagen kann: Blinkende Banner und Popup-Videos werden Sie im NZZ Magazin vergeblich suchen.

Bis 2030 will die NZZ-Gruppe 400’000 Bezahlabos verkauft haben, wie die NZZ-Führung vor zwei Jahren bekannt gab. Was werden oder müssen Sie dazu beitragen?
Es ist meine Aufgabe als Mitglied der Geschäftsleitung, diese Ziele zu erreichen. Wie die Printtitel in meinem Bereich muss auch das NZZ Magazin einen Beitrag dazu leisten. Der Fokus der NZZ im Lesermarkt liegt indessen nicht allein auf der Anzahl Abonnentinnen, sondern auf dem Lesermarktumsatz. Hier konnten wir im letzten Jahr grosse Fortschritte verzeichnen.

Blicken wir etwas zurück: Die Ankündigung Ihres Wechsels zur NZZaS hatte dort für viel Aufsehen gesorgt. Die Redaktion hat sich mit einem Brief gegen die Absetzung Ihres Vorgängers Luzi Bernet gewehrt. Wie nehmen Sie die Stimmung auf der Redaktion aktuell wahr?
Ich erlebe das Team als sehr offen und engagiert. Wir haben gemeinsam schon einiges auf die Beine gestellt im letzten Jahr, beispielsweise den grünen Bund «2050», den Nicole Althaus entwickelte und den unsere Kollegin Carole Koch nun leitet. Oder die spürbare Aufwertung und Neupositionierung des Inlandressorts, die Anja Burri mit ihrem Team angestossen hat und nun weiter vorantreibt. Im Bereich Kultur wird Peer Teuwsen eine lange vergessene Neuerung präsentieren, die es in keiner anderen Zeitung der Schweiz gibt, ich darf sie heute noch nicht verraten.

«Ich hatte und habe viel zu lernen, was das Zeitungsmachen angeht»

Ihre Ernennung damals kam für viele überraschend – wohl auch, weil Sie von SRF und Blick TV eher als TV-Mann galten. Wo konnten Sie eben diese Erfahrungen einbringen? Wo gab es für Sie hingegen Hürden in den letzten Monaten?
Ich hatte und habe viel zu lernen, was das Zeitungsmachen angeht. Ich profitiere in dieser Hinsicht vom ganzen Team, das mich seit meinem Start sehr unterstützt. Die Grundsätze des journalistischen Handwerks sind schlussendlich in den verschiedenen Medien ähnlich. Diese Erfahrung kann ich nun immer mehr einbringen.

Am Sonntag hat das Stimmvolk Nein gesagt zum Massnahmenpaket für die Medien. Ist das gut oder schlecht für die Medienlandschaft Schweiz?
Das ist gut für die Medienlandschaft. Journalismus hat tatsächlich ein Finanzierungsproblem, weil die Tech-Giganten das Anzeigengeschäft erfolgreich betreiben und Inhalte abschöpfen, die wir teuer produzieren. Doch eine weitere staatliche Medienförderung hätte zu einer gefährlichen Abhängigkeit geführt. Das gilt zwar für jede Finanzierung. Doch es macht einen grossen Unterschied, ob unsere Medien von Hunderttausenden von Lesern und Hunderten von Werbekunden abhängig sind – oder von einem Staat.

Jonas Projer hat die Fragen schriftlich beantwortet.



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