12.04.2023

Annabelle

«Ich möchte meine Arbeit zeitgemäss organisieren»

Seit wenigen Tagen ist Barbara Loop Chefredaktorin der Annabelle. Im Interview sagt die 40-Jährige, wie sie das Frauenmagazin weiterentwickeln will. Zudem spricht sie über ihren Lohn und das aufsehenerregende Editorial ihrer Vorgängerin.
Annabelle: «Ich möchte meine Arbeit zeitgemäss organisieren»
«Ich werde weder meine Kinder, meine Beziehung, mich selbst noch meinen Job opfern», sagt die neue Annabelle-Chefredaktorin Barbara Loop. (Bild: Simon Habegger)

Frau Loop, seit Anfang Monat sind Sie offiziell Annabelle-Chefredaktorin. Inwiefern waren die letzten Tage auf der Redaktion anders als jene davor?
Für mich war es ein fliessender Übergang. Ich habe im Hintergrund bereits zuvor neue Leute einstellen können. Sei es Paula Scheidt, die für Sven Broder als neue Reportagechefin zum Team stösst. Oder Laura Catrina, die gerade ihre ersten Tage als Leiterin des Commercial Content Studio hat. Ich bin in diesen Tagen also stärker mit dem Start meiner Mitarbeiterinnen beschäftigt als mit meinem eigenen (lacht).

Was war Ihnen bei der neuen Zusammensetzung der Annabelle-Chefredaktion wichtig?
Ich sehe meine Aufgabe darin, dem Team so viel Autonomie zu geben, dass jedes Mitglied in seinem Bereich – in dem es sich im Detail oft besser auskennt als ich – selber schalten und walten kann. Die Annabelle lebt vom Team, vielleicht mehr noch als andere Unternehmen. Es sind viele Leute in wichtigen Funktionen an Bord, die schon lange dabei sind. Eine, die ich nun in die erweiterte Chefredaktion befördern konnte, ist Nathalie De Geyter. Mit ihrer Bildsprache prägt sie das Blatt stark. Als Chefredaktorin muss ich nicht jedes Bild abnehmen, das kann sie selbst. Ein anderes Beispiel ist Leandra Nef, die neue stellvertretende Chefredaktorin. Sie arbeitet schon lange bei uns und kennt die Bereiche Reportagen sowie Lifestyle gut. Zudem ist sie jemand, der gern unterwegs ist und Annabelle gegen aussen repräsentieren kann. Ich finde es wichtig, dass ich als Chefin auch einmal ersetzt werden kann.

«Ich stelle mir auch Veranstaltungen zu Themen aus dem Heft vor.»

Dennoch verantworten Sie als Chefredaktorin nun den Erfolg der Annabelle. Welche konkreten Ziele haben Sie sich oder in Absprache mit dem Verlag gesetzt? 
Ich trete nicht für einen Strategiewechsel an. Das wäre komisch. Denn als bisherige stellvertretende Chefredaktorin habe ich das Heft zusammen mit Jacqueline Krause-Blouin Hand in Hand geführt und entwickelt. Die Annabelle ist eine relevante Stimme. Wir sind soeben zum «Magazin of the Year» ernannt worden. Die Printausgabe ist sehr wichtig. Hier will ich versuchen, den auch uns betreffenden Leserinnenschwund zu stoppen. Und ich sehe noch viel Potenzial im Digitalen für unsere Marke.

115’000 Menschen lesen das Annabelle-Magazin aktuell – zehn Prozent weniger als vor einem Jahr. Wie wollen Sie diesen Sinkflug stoppen?
Im Herbst waren es noch 116’000 Leserinnen und Leser, daher ist uns das im letzten halben Jahr geglückt. Alle Medien kämpfen mit sinkenden Printzahlen, dazu gehört auch die Annabelle. Wir spüren noch immer die Folgen von Corona. Alle Coiffeursalons, Spas oder Arztpraxen, die schliessen mussten oder seither keine Magazine mehr auflegen, sowie die Veranstaltungen oder Messen, die nicht stattfanden, haben uns Sichtbarkeit sowie Leserinnen und Leser gekostet. Aber wir sind daran, unsere verbreitete Auflage auszubauen. Ich setze auf unsere starke Marke und gute Inhalte. Laut einer repräsentativen Befragung verbringen unsere Abonnentinnen und Abonnenten durchschnittlich eine Stunde mit dem Heft. 80 Prozent der Befragten haben von den letzten sechs Ausgaben jede einzelne gelesen. Das sind erfreuliche Zahlen. Mit Blick nach vorn ist es wichtig, dass die Annabelle mutig bleibt.

Was konkret meinen Sie mit «mutig bleiben»?
Wir wollen weiterhin zu reden geben, sonst werden wir belanglos. Es geht nicht darum, zu provozieren, sondern etwas zu bewegen. Bei unserer Ausgabe zum Thema Tod haben wir uns lange überlegt, wie das ankommt. Die Modestrecke ohne Kleider im Themenheft «Mutter» löste Diskussionen aus. Unsere Cover – gerade bei den Spezialausgaben – sind oft mutig. 

Die Annabelle finanziert sich hauptsächlich durch Werbung und Abos und will verstärkt auch Events als Einnahmequelle nutzen. Wie ist da der Stand?
Ich sehe Veranstaltungen nicht nur als Werbemarkt-, sondern auch als Nutzermarktstrategie. Die Annabelle wird so zu mehr als einem Produkt für eine Rezipientin. Unser Anlass «House of Beauty» im letzten Jahr war sehr gut besucht. Nun rufen wir im Juni unseren Swap im Kaufleuten in Zürich wieder ins Leben. Die Tauschbörse ist eine alte Annabelle-Tradition, die erstmals 2012 durchgeführt wurde. Das möchten wir ausbauen. Ich stelle mir auch Veranstaltungen zu Themen aus dem Heft vor.

Wie stellen Sie sich die typische Annabelle-Leserin vor? Für wen machen Sie das Heft?
Wir schreiben für eine interessierte, neugierige und aufgeschlossene Leserschaft, die offen ist, auf andere Positionen zu treffen. Jemand, der sich auch einmal über etwas aufregt, die Dinge dann aber auch nebeneinander stehen lassen kann. Im Durchschnitt sind unsere Leserinnen und Leser 45 bis 50 Jahre alt. Online erreichen wir eine etwas jüngere Zielgruppe.

Sie sehen viel Potenzial im Digitalen, sagten Sie zuvor. Welche Strategie verfolgen Sie?
Das ist ein wichtiges Thema, für das ich mir die nötige Zeit nehme. Ich habe viele Ideen. Wir sind im Team dabei, unsere Linie zu finden.

«Der Themenmix ist die grosse Qualität des Titels»

Wie viele andere Medien verschickt die Annabelle einen Newsletter, um das Publikum aufs Portal zu holen. Wie viele Leserinnen erreichen Sie damit?
Unsere Newsletter haben knapp 30'000 Personen abonniert. Auch die sozialen Medien sind wichtig. Auf Instagram zählen wir über 39'000 Follower und Followerinnen. Umso mehr freut es mich, dass wir jüngst eine neu geschaffene Stelle mit einer Social-Media-Redaktorin besetzen konnten.

In welche Richtung soll sich die Annabelle unter Ihrer Führung weiterentwickeln?
Der Themenmix ist die grosse Qualität des Titels. In der Annabelle kommen viele Themen zusammen, die im Leben sonst naturgemäss aneinander vorbeigehen. An dieses Konzept glaube ich. Bei den Reportagen möchte ich den Fokus auf die Schweiz etwas stärken.

Wir befinden uns im Wahljahr. Welche thematischen Schwerpunkte setzen Sie?
Wir gehen die Berichterstattung zu den Eidgenössischen Wahlen vom Standpunkt der Frauenfrage an. Zur Frage der Gleichstellung gehören auch Themen, die über die feministische Debatte hinausgehen – etwa Bildungspolitik oder die Frage, wie das Geschlecht das Leben hierzulande beeinflusst. Die Annabelle muss politische Themen im Heft haben. Andererseits muss nicht jedes Heft politisch sein. Die Annabelle darf auch einfach einmal nur unterhalten.

«Mein Lohn ist immer für irgendjemand unangemessen – vielleicht auch zu Recht.»

Sie haben kürzlich mit dem feministischen Medienportal ElleXX über Ihren Lohn gesprochen. Warum haben Sie nicht offengelegt, wie viel Sie verdienen?
Mein Lohn ist immer für irgendjemand unangemessen – vielleicht auch zu Recht. Ich glaube nicht, dass man mit dieser blanken Zahl weiterkommt und eine konstruktive Debatte entsteht.

Wie offen ist der Umgang damit auf der Annabelle-Redaktion?
Wir haben keine offengelegten Löhne. Aber wir haben nach der Übernahme durch Medienart die Chance für Umstrukturierungen genutzt. Früher war zum Beispiel der Lohnunterschied von Lifestyle und Reportagen gross.

Im selben Interview sagten Sie, dass Sie rund 100 Franken im Monat für Medien ausgeben. Für welche Medien zahlen Sie? Wie informieren Sie sich?
Ich lebe in Bern und habe den Bund abonniert, weil ich lokale Medien wichtig finde. Ich habe ein Republik-Abo und kaufe vereinzelt Ausgaben von Reportagen, der NZZ am Sonntag und der Zeit. Darüber hinaus habe ich das New York Magazine abonniert und Online-Abos für die Süddeutsche Zeitung, Business of Fashion sowie die New York Times. Ich lese online den Guardian und höre beim Kochen gern SRF 4 und diverse Podcasts. Und natürlich halte ich am Kiosk häufig nach aktuellen Lifestyle-Titeln Ausschau, um up to date zu bleiben.

«Ich werde weder meine Kinder, meine Beziehung, mich selbst noch meinen Job opfern.»

Das Editorial Ihrer Vorgängerin hat gerade für viel Aufsehen gesorgt. Darin beschreibt sie, warum sie als Mutter einer Tochter nach vier Jahren als Annabelle-Chefredaktorin den Job niederlegt. Wie ist es für Sie, den Posten inmitten dieser Diskussion anzutreten?
Jacqueline Krause-Blouin hat das Magazin mit viel Herzblut und grossem Engagement geführt. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass nicht gleich zu meinem Amtsantritt die Vereinbarkeitsfrage im Vordergrund steht.

Nun liegt die Frage irgendwie auf der Hand. In Bern leben Sie mit Ihrem Mann und zwei Töchtern. Welche Gedanken haben Sie sich in der Familie dazu gemacht?
Ich will die Frage nicht von mir weisen, auch wenn man Sie eigentlich schon lange nicht mehr nur den Frauen stellen sollte. Ich habe mit meinem Mann – aber auch mit meinen Eltern – besprochen, wie das gehen kann. Wir haben zwei kleine Kinder. Ich werde die Annabelle gegen aussen und innen repräsentieren. An bestimmten Anlässen aber ist es möglich, dass meine Stellvertreterin übernimmt. Für ein fortschrittliches Magazin wie die Annabelle muss das möglich sein.

Jacqueline Krause-Blouin legt Ihnen ans Herz: Sie sollen viele Sachen absagen, delegieren und sich abgrenzen. Wie gehen Sie den neuen Job an, um nicht auszubrennen?
Genau so – mit Delegieren und Abgrenzen. Ich weiss, worauf ich mich einlasse, und ich werde weder meine Kinder, meine Beziehung, mich selbst noch meinen Job opfern. Ich möchte meine engagierte Arbeit zeitgemäss organisieren und habe zudem ein starkes Team im Rücken.


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