01.04.2022

SRF

«Kritik ist auch ein Zeichen für eine starke Bindung»

Einen Monat nach der Lancierung der Halbierungsinitiative gegen die SRG: Was stimmt SRF-Direktorin Nathalie Wappler optimistisch, dass auch dieser Angriff abgewehrt wird? Zudem äussert sie sich zur SVP, über Sandro Brotz und zur Kritik an Schweizer Radio und Fernsehen.
SRF: «Kritik ist auch ein Zeichen für eine starke Bindung»
«Wenn ich auf der Strasse angesprochen werde, erhalte ich oft herzliche Rückmeldungen und Glückwünsche – das ist sehr berührend»: Nathalie Wappler, SRF-Direktorin und stellvertretende SRG-Generaldirektorin. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)

Frau Wappler, hatten Sie schlaflose Nächte, nachdem Ihnen die SVP den vorläufigen «Arena»-Verzicht bekanntgegeben und Sandro Brotz sowie das SRF stark kritisiert hatte?
Nein, schlaflose Nächte hatte ich nicht. Ich habe auf das Schreiben der SVP mit einem Antwortbrief reagiert und dabei das bereits länger geplante Gespräch vom 14. April zur Aussprache mit Parteipräsident Marco Chiesa und Fraktionspräsident Thomas Aeschi bestätigt.

An diesem Treffen wird trotzdem festgehalten?
Absolut. Schliesslich hat diese Aussprache nichts mit der «Arena» vom 18. März zu tun. Für mich gibt es deshalb keinen Grund, dieses Gespräch abzusagen. Auch von der SVP habe ich bisher nichts in diese Richtung vernommen.

Dennoch: Die Kritik der SVP dürfte kaum spurlos an Ihnen vorbeigegangen sein.
Wir gehen mit Kritik offen um, hören sie uns an und diskutieren intern darüber. Entscheidend ist, dass wir mit unseren Programmen die Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit erfüllen. Klar ist: Wir halten an Sandro Brotz fest, er wird die «Arena» weiterhin moderieren.

Sandro Brotz hat also alles richtig gemacht?
Die Sendung ist noch Gegenstand von Beanstandungen. Solange der Abschlussbericht der SRG-Ombudsstelle nicht vorliegt, äussere ich mich nicht weiter dazu.

«Ich habe nicht gemeint, dass keines unserer Programme polarisieren darf»

Fakt ist: Die «Arena»-Sendung hat für grosses Aufsehen gesorgt (persoenlich.com berichtete). Das kann Ihnen doch nicht gefallen, möchten Sie doch «Programme machen, welche die Gesellschaft nicht weiter polarisieren», wie Sie nach Ihrer Wahl zur SRF-Direktorin gesagt haben.
Zuerst möchte ich klarstellen: Ich habe nicht gemeint, dass keines unserer Programme polarisieren darf. Es geht darum, dass unsere Journalistinnen und Journalisten mit einer journalistischen Neugier in ein Gespräch mit Protagonistinnen oder Protagonisten gehen, dass sie etwas in Erfahrung bringen wollen, was letztlich zur Ausgewogenheit beiträgt. Das halten wir ein, was uns auch von unabhängiger Stelle bestätigt wird: Wir belegen mit unseren Sendern im Jahrbuch «Qualität der Medien» des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft die vorderen Plätze. Auf diese Beurteilung kommt es an – und nicht auf Skandalisierungen. Zudem gilt es, den Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem etwas skandalisiert wird. 

Anfang März wurde die Halbierungsinitiative «200 Franken sind genug» gegen die SRG lanciert. Was war der erste Gedanke, als Sie davon gehört haben?
Ich war überrascht, hat sich die Bevölkerung doch erst vor vier Jahren mit einer deutlichen Mehrheit von über 70 Prozent für den Service public ausgesprochen. Ich kann versprechen, dass wir dieser geplanten «No Billag 2»-Initiative genauso engagiert begegnen werden, wie wir das bei «No Billag 1» gemacht haben. Etwas möchte ich noch festhalten …

Bitte.
Man muss sich bewusst sein, dass es bis zur Abstimmung noch lange dauert. Aktuell wird der Initiativtext von der Bundeskanzlei geprüft, anschliessend folgen die Unterschriftensammlung sowie die Debatten in Bundesrat und Parlament. Darüber abstimmen werden wir wohl erst 2025. Gegebenenfalls noch später. Diese Zeit werden wir wie immer nutzen, entsprechend unserem Auftrag ein gutes Programm in den Bereichen Information, Kultur, Unterhaltung und Sport zu machen. Ich bin mir sicher, dass wir mit bekannten und auch mit neuen Angeboten die Bevölkerung überzeugen.

«Das wäre ein dramatischer Einschnitt für die Schweiz»

Die Annahme der Initiative «hätte grosse Einschnitte zur Folge», haben Sie in Ihrem letzten persoenlich.com-Interview gesagt. Konkret: Was wären die einschneidendsten Veränderungen für die SRG?
Wir könnten das aktuelle Angebot – zum Beispiel die starke regionale Verankerung – nicht mehr aufrechterhalten. Das wäre ein dramatischer Einschnitt für die Schweiz und hätte noch viel grössere Auswirkungen auf den Personalbestand der SRG, als dies nach dem 100-Millionen-Sparpaket nach der «No Billag»-Initiative der Fall war.

Könnte SRF mit einer Gebühr von 200 Franken überhaupt noch betrieben werden?
Klar ist: Den vorgegebenen Auftrag könnten wir nicht mehr erfüllen – zum Beispiel die Kultur- und Filmförderung oder die Vorgabe, dass 50 Prozent unserer Ausgaben Teil der Information sein müssen. 

CVP-Präsident Gerhard Pfister sprach sich zwar gegen die Initiative aus, dennoch kritisierte er die SRG zuletzt oft. Er bemängelte, mit ihrem Onlineangebot würde sich die SRG «ausserhalb ihres Auftrags bewegen». Ein harter Vorwurf – was entgegnen Sie?
Unser Onlineangebot entspricht der Konzession. Es ist unser Auftrag, auch das junge Publikum auf den Plattformen zu erreichen – und zwar auch in der Art und Weise, wie die junge Generation diese Plattformen nutzt. Bis vor wenigen Jahren haben wir diesen Auftrag noch nicht genügend erfüllt. Unser Fokus liegt auch im Digitalen klar auf den Kernbereichen Video und Audio – das Textmaterial ist häufig der Beitragstext, den wir gemäss Konzession für Seh- und Hörbehinderte bereitstellen müssen.

«Wer einen solchen Job antritt, ist sich bewusst, dass er sehr viel Kritik aushalten muss»

Politiker haben auch den Entscheid des SRG-Verwaltungsrats kritisiert, dass die variable Lohnkomponente bei Kadern ab 2023 in den Fixlohn integriert wird. Haben Sie Verständnis dafür?
Die Löhne werden vom Verwaltungsrat der SRG festgelegt. Die Entscheidung ist so gefallen, diese trage ich mit.

Kritik kommt auch aus der Presse, die seit einiger Zeit von vielen Baustellen bei SRF spricht. Gehen die Medien mit SRF zu hart ins Gericht?
Wer einen solchen Job antritt, ist sich bewusst, dass er sehr viel Kritik aushalten muss. Was mich aber freut: Der Zuspruch des Publikums ist gross. Wenn ich auf der Strasse angesprochen werde, erhalte ich oft herzliche Rückmeldungen und Glückwünsche – das ist sehr berührend. Entscheidend ist, dass sich die Mehrheit von unseren Programmen gerne begleiten und auch begeistern lässt – das geht von «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche» bis zu Sondersendungen über den Ukraine-Krieg. Das freut mich sehr, und daran werde ich mich messen lassen.

Aber schmerzt es Sie persönlich nicht, dass die Kritik an SRF vor allem aus der Medienbranche kommt?
Manchmal ist harte Kritik auch ein Zeichen für eine starke Bindung, aber sicher, dass man sich sehr intensiv mit unserem Unternehmen und unseren Programmen auseinandersetzt.

Zum Schluss: Wenn Sie in den Tag starten, welche Medien dürfen bei Ihnen nicht fehlen?
Ich beginne den Tag mit Radio, lasse mich also von diesem Medium wecken. Dabei höre ich jeden Tag einen anderen unserer Radiosender – also von SRF 1 zu SRF 2 Kultur, danach SRF 3, SRF 4, die Musikwelle und auch Virus. Weiter besuche ich unser Onlineangebot, um zu sehen, welche Themen für Schlagzeilen sorgen. Zudem lese ich die NZZ und den Tages-Anzeiger regelmässig sowie auch die FAZ. Wann ich dazu komme, hängt davon ab, was am Tag alles ansteht. Oft ist das erst am Abend der Fall. Dann schaue ich mir auch viele unserer TV-Inhalte an – aus Zeitgründen ebenfalls meist zeitversetzt.


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KOMMENTARE

Adrian Venetz
01.04.2022 12:14 Uhr
«Kritik ist auch ein Zeichen für eine starke Bindung.» Beim nächsten Arena-Auftritt trägt Aeschi ein T-Shirt mit diesem Spruch drauf.
Urs-Werner Merkli
01.04.2022 10:05 Uhr
Einfach toll, was die Direktorin alles anzubieten hat
Anton Fischer
01.04.2022 08:28 Uhr
"Das ist SRF 3, das ist SRF 3, das ist SRF 3, das ist SRF 3, das ist SRF3" Das zuviele Wiederholen wirkt penetrant und nervig. Müsste die SRF für diese Eigenwerbung bezahlen, so würde bestimmt dies schnell reduziert . Weniger gleich mehr.
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