11.12.2019

Republik

«Viel mehr zu sparen, liegt nicht drin»

Die Drohung, dass die Republik schliesst, wenn Ende März nicht 2,2 Millionen Franken zusammen kommen, wirkt radikal. Ist das ernst oder wieder schlicht und einfach richtig gutes Marketing? Oliver Fuchs, stellvertretender Chefredaktor, erklärt den Ernst der Lage.
Republik: «Viel mehr zu sparen, liegt nicht drin»
Startete als Community-Redaktor und ist nun stellvertretender Chefredaktor der Republik: Oliver Fuchs. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Fuchs, vor einem Monat hiess es, die Republik könne aufatmen. War das eine Falschmeldung?
Naja, das wir aufatmen könnten, war die Interpretation der NZZ am Sonntag. Und sie war damals verfrüht. Denn wie die NZZ am Sonntag ja auch selber schrieb, stehen im Januar viele Erneuerungen an. Und sie schrieb ebenfalls, dass wir noch zu wenige Mitglieder an Bord für schwarze Zahlen hätten.

Wie kam diese zu Stande?
Die Interpretation? Ich möchte nicht für die NZZ am Sonntag sprechen, das müssen Sie die Kollegen dort fragen. Wir wurden zu Investitionen und Sparmassnahmen angefragt. Dazu haben wir gesagt: Erste Investoren sind an Bord und Verträge unterschrieben. Und Sparmassnahmen sind für das Geschäftsjahr keine geplant. Beides ist nach wie vor richtig.

«Wir haben für das laufende Jahr das Budget bereits um eine Million verkleinert»

Im neusten Newsletter heisst es, die Republik sei nun ein brauchbares Produkt, eine brauchbare Organisation und habe das richtige Team. Ausser mit den Finanzen sind Sie also derzeit wunschlos glücklich. Ist das richtig?
Wir haben uns in diesem Jahr stark weiterentwickelt. Nun ist es an unseren Mitgliedern zu entscheiden, ob sie diese Republik wollen. Dass wir noch vieles versuchen und verbessern wollen, versteht sich von selbst. Aber der Rücklauf der letzten 24 Stunden ist für uns eine enorme Bestätigung. Es zeigt sich: Viele Menschen wollen genauso wenig wie wir, dass nach zwei Jahren Schluss ist.

Sie wollen per 31. März das Unternehmen auflösen, wenn die 2,2 Millionen Franken nicht zusammen kommen. Das ist doch total übertrieben! Sie könnten ja, falls nur eine Million Franken da sein wird, auch einfach nur ein Ressort schliessen. Warum greifen Sie zu so drastischen Worten?
Wir glauben: Jetzt haben wir eine Republik, die funktioniert. Ein Medium, dass immer wieder journalistisch überzeugt. Wir haben für das laufende Geschäftsjahr das Budget bereits um eine Million verkleinert – und dieses bis jetzt nochmals um rund 10 Prozent unterboten. Viel mehr sparen liegt nicht drin, wenn wir ein Medium betreiben wollen, dass einen Unterschied macht. Und wenn wir die Qualität liefern wollen, die unsere Mitglieder von uns erwarten.

Wir vermuten: Sie machen auf Panik, das ist einfach nur ein Marketing-Trick, um Dringlichkeit zu erzeugen, damit die bisherigen «Verleger» nicht abspringen, sondern für ein zweites Jahr zahlen.
Ich habe am Mittwoch auf Twitter folgendes Versprechen abgegeben: Wenn sich das Ganze im Nachhinein als Marketing-Trick von der Geschäftsleitung oder vom Verwaltungsrat herausstellen sollte, dann werde ich auf der Stelle kündigen. Constantin Seibt hat das ein paar Minuten später sekundiert. Es ist uns ernst.

Und wie machen Sie es dann, wenn nächstes Jahr oder übernächstes erneut so viel Geld fehlt? Versenden Sie dann wieder den «wichtigsten Newsletter seit dem Start»?
Was wir jetzt tun, hat genau das Ziel, dass wir auf lange Zeit nicht mehr an diesen Punkt kommen. Es geht darum, dieses Unternehmen langfristig finanziell nachhaltig zu machen. Aber schauen Sie: Die Republik ist und bleibt ein Projekt gegen die Wahrscheinlichkeit. Und das braucht einen langen Atem. Von unseren Mitgliedern genauso wie von uns.

«Ich habe auf Slack kaum je so viele Herzchen gesehen, wie in diesen Tagen»

Gleichzeitig vermelden Sie mehrere Neuzugänge. Warum stellen Sie neue Leute an, wenn die finanzielle Situation so prekär ist?
Wir glauben ja daran, dass wir es gemeinsam mit unseren Mitgliedern schaffen werden. Genauso wie die Leute, die an Bord kommen. Schon einmal vorsorglich Leute nicht an Bord zu holen, die verdammt gut sind, das wäre doch falsch. Dass neue Leute vom Format einer Marie-José Kolly oder von einer Anna Traussnig trotz des Risikos hier arbeiten wollen, das ist ein gutes Zeichen. Unser Personalbestand liegt bei 29.7 Vollzeitstellen. Er hat sich durch die Neuzugänge nicht erhöht.

Ist mittlerweile Constantin Seibt wieder an Bord? Er sollte ja seit August wieder zurück sein aus dem Sabbatical.
Ja, er ist hier. Zuletzt hat er darüber geschrieben, wie die Sehnsucht nach dem Weltkrieg den Brexit erklärt. Und was genau sich die Briten und die EU jetzt eigentlich geeinigt haben.

Was für eine Rolle hat er?
Er ist im Verwaltungsrat, schreibt und betreut Texte und macht im Marketing mit.

Wie ist die Stimmung im Team momentan?
Kennen Sie die Kommunikationsplattform Slack? Ich habe darauf kaum je so viele Herzchen gesehen, wie in diesen Tagen. Es hat lange gedauert, als Team zusammen zu wachsen, aber das haben wir geschafft. Die Stimmung ist entsprechend sehr gut und zuversichtlich.

Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bis Ende März Ihr finanzielles Ziel erreichen?
Zynismus ist eine Berufskrankheit von vielen Journalisten, inklusive mir. Die letzten 24 Stunden haben einmal mehr gezeigt, dass ich in der Hinsicht an mir arbeiten sollte.

Das Interview wurde schriftlich geführt.



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