08.01.2024

Ringier Medien Schweiz

«Wir wollen eine übergeordnete Kultur schaffen»

Ladina Heimgartner führt als neue CEO von Ringier Medien Schweiz tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Interview spricht Sie über ihre Führungsprinzipien und sagt, welche grossen Themen sie nun angeht.
Ringier Medien Schweiz: «Wir wollen eine übergeordnete Kultur schaffen»
«Schlussendlich leben wir in derselben Welt wie Tamedia und CH Media und sind mit denselben Herausforderungen konfrontiert», sagt Ladina Heimgartner, CEO von Ringier Medien Schweiz. (Bild: zVg)

Ladina Heimgartner, Sie sind die neue Ringier-Schweiz-Chefin. Ist das für Sie fast schon die Krönung Ihrer Tätigkeit?
Wenn Sie das so sehen, widerspreche ich dem nicht (lacht). Aber dieser Entscheid zeigt auch – und das ist mir viel wichtiger –, dass wir im Herzen ein Medienhaus sind, obwohl ein grosser Teil des Erlöses nicht aus dem klassischen Mediengeschäft stammt, sondern von den Marktplätzen. Trotzdem ist und bleibt der Journalismus zentral für uns. Das freut mich als Journalistin ganz besonders und ist auch sehr motivierend.

Ringier hat bezüglich Digitalisierung eine Pionierrolle bei den Schweizer Verlagshäusern eingenommen. Jetzt setzen Sie mit diesem Kauf wieder auf die traditionellen Zeitungen. Warum?
Print ist nach wie vor eine tragende Säule unseres Geschäfts – eine, auf die wir stolz sind. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass es Print in ein paar Jahren nicht mehr gibt. Ich glaube, Print wird sich halten, jedoch sicherlich nicht in dem Masse, wie wir ihn heute haben. Es wird qualitativ hochstehende Flaggschiff-Publikationen geben, die vielleicht einmal alle zwei Wochen oder einmal im Monat erscheinen. Ich glaube auch, dass die gesamte AI-Entwicklung eine Gegenbewegung auslösen wird – wie es meistens der Fall ist. Und da wird sich im hochqualitativen Bereich eine Nische für Print finden. Wir werden uns in Ruhe jeden der über zwanzig Titel anschauen und für jeden individuell entscheiden, wie er sein Publikum am besten erreicht. Manche werden wir digital primär via blick.ch distribuieren, für manche wird es ein umfassendes eigenes Ökosystem geben, einige pushen wir stark in Richtung Digital, andere stärken wir im Print.

Die weniger erfreuliche Seite in der Medienbranche ist die wirtschaftliche Situation. Tamedia und CH Media haben einen Stellenabbau angekündigt. Wird das auch bei Ringier passieren?
Es wird durch diesen Kauf Synergieeffekte geben. Die Folge davon ist auch ein Stellenabbau, dessen sind sich alle bewusst. Doch dieser wird die Redaktionen deutlich weniger stark tangieren als den klassischen Verlagsbereich, was es für die Betroffenen natürlich nicht besser macht. Aber das sind die Konsequenzen einer Zusammenlegung. Schlussendlich leben wir in derselben Welt wie Tamedia und CH Media und sind mit denselben Herausforderungen konfrontiert. Wir bewegen uns momentan in einem äusserst schwierigen Marktumfeld. Will man als Verlagshaus langfristig erfolgreich bleiben, muss man die Kostenseite im Griff haben. Wir haben intern wie extern kommuniziert, dass wir die Gesamtkosten um fünf Prozent reduzieren wollen.

Schauen wir zurück zum Anfang Ihrer Karriere. Wann kamen Sie zum ersten Mal mit den Medien in Berührung?
Ich hatte lange Zeit nichts mit Medien am Hut. Das kam erst während des Studiums, als mein Vater sagte, ich müsse nun selbst etwas Geld verdienen. Ich bewarb mich bei einigen Schweizer Zeitungen um ein Praktikum. Aber eigentlich nur, um meinem Vater zu zeigen, dass mich niemand nehmen würde: Wer braucht schon eine Studentin, die nichts als die Matura vorzeigen kann?, dachte ich. Doch ich bekam zwei Zusagen: eine vom Bündner Tagblatt und eine von den Freiburger Nachrichten. Beim Bündner Tagblatt arbeitete ich als freie Mitarbeiterin – und es war um mich geschehen. Ich habe mich in den Journalismus verliebt. Das Bündner Tagblatt war Sprungbrett für viele Medienleute, die danach eine ansehnliche Laufbahn hinlegten. Larissa Bieler, zum Beispiel, die jetzige Direktorin von swissinfo. Der ehemalige SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty oder Luca Geisseler, CEO der FehrAdvice & Partners AG. Es tauchen auch heute immer wieder Namen auf, die beim Bündner Tagblatt ihre ersten Gehversuche machten. Der damalige Chefredaktor hat den freien Mitarbeitenden von Tag eins an viel Verantwortung übergeben, was sehr prägend war und einen positiven Einfluss auf die Lernkurve hatte.

Später bei der SRG wurden Sie schnell Chefin des rätoromanischen Fernsehens und Radios Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR). Wie kamen Sie dazu?
Nach dem Lizenziat hatte ich eigentlich meinen Traumjob als Kulturchefin beim Bündner Tagblatt gefunden. Aber nach einem Jahr spürte ich, dass es mich weiterzieht. Ich wurde angefragt, ob ich zum Radio von RTR nach Chur wechseln möchte. Ich wollte, und so ich lernte das Radiohandwerk. Allerdings blieb ich nicht lange Redaktorin. Die Konvergenz – die zusammengeführten Redaktionen über alle Sektoren – war damals in aller Munde. Ich übernahm das Ressort «reflexiun», rätoromanisch für Reflexion, also Vertiefung, bei RTR und leitete es bis ins Jahr 2011, zuletzt als stellvertretende Chefredaktorin von RTR.

«Ich war die, die immer die Extrameile ging»

Danach fing Ihre grosse Karriere bei der SRG an.
Wenn Sie Stabsmitarbeiterin als Anfang einer grossen Karriere beurteilen, dann ja (lacht). Unter dem damals neuen Generaldirektor Roger de Weck hatte ich die Chance, in der Berner Generaldirektion den Stab «Märkte und Qualität» aufzubauen. Ich hatte das Glück, von vielen meiner Chefs gefördert zu werden: Gian Ramming, Mariano Tschuor, Roger de Weck, Gilles Marchand. Aber Glück allein reicht ja nicht. Es reicht auch nicht, jung, Frau und Rätoromanin zu sein – also quasi der Inbegriff der Minderheit und ein Traum für jegliche Quote. Dies hilft zwar, irgendwo reinzukommen, reicht aber nicht, wenn man bleiben will. Man muss auch etwas leisten, man muss mehr als die anderen tun. Ich war die, die immer die Extrameile ging und eine weitere Stunde blieb, damit es nicht nur gut, sondern sehr gut wurde.

Stören Sie diese Vorurteile manchmal?
Als ich mit 34 Direktorin des rätoromanischen Radios und Fernsehens und GL-Mitglied der SRG wurde, musste ich die Frage nach der Quotenfrau unzählige Male beantworten. Ich habe immer gesagt: «Wenn ich in zwei Jahren noch hier bin, war es wohl mehr als nur die Quote.» Die Quote mag beim Einstieg helfen. Danach gelten aber dieselben Regeln wie für alle anderen.

Im Vergleich zu Ihren anderen Jobs ist Ringier Medien Schweiz nun wirklich eine ganz grosse Kiste. Ab nächstem Jahr sind Sie verantwortlich für tausend Menschen. Haben Sie ein Führungsprinzip?
Es fühlt sich nicht sehr anders an, ob es zehn, hundert oder tausend Menschen sind, die man führt. Am Schluss hängt es immer vom Team der engsten Vertrauten ab, mit denen man täglich zusammenarbeitet. Bei mir ist dies praktisch immer die (erweiterte) Geschäftsleitung. Meine engsten Mitarbeitenden haben praktisch mein uneingeschränktes Vertrauen. Ich delegiere konsequent, bin ein Teamplayer. Ich glaube daran, dass Menschen nur dann über sich hinauswachsen können, wenn sie sich in einem vertrauensvollen, sicheren Umfeld bewegen. Dieses versuche ich herzustellen. Wo Angst ist, entsteht selten etwas Kreatives. Letzthin habe ich in einem Branchenportal gelesen, dass ich als Kontrollfreak bekannt sei. Ich empfinde dies nicht so. Im Gegenteil: Ich bin eigentlich eher der 80/20-Typ. Nur bei Medienfragen und Medienmitteilungen bin ich sehr pingelig, da schaue ich wirklich jedes Komma zweimal an.

Welches sind die grössten Schritte, die Sie nun vornehmen?
Beim neuen Unternehmen steht sicher zunächst einmal die Zusammenführung im Vordergrund: organisatorisch wie kulturell. Wir vereinen verschiedene Kulturen unter einem Dach. In der Regel sind die Marken – Blick, «Beobachter», Handelszeitung – die starken Identifikationstreiber. Das ist gut so, trotzdem wollen wir eine übergeordnete Kultur schaffen, die über die eigene Redaktion hinausgeht. Ein weiteres Thema ist die Wirtschaftlichkeit. Unsere Titel müssen langfristig profitabel bleiben. Daneben dürfen wir auch das wirtschaftliche und technologi
sche Umfeld nicht ausser Acht lassen. Goo­gle rollt aktuell die chatbasierte Suche aus. Ich bin nicht sicher, ob alle in der Medienbranche realisiert haben, welche tektonische Verschiebung dies für uns bedeuten kann.


 

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