BLOG

David gegen Goliath

Matthias Ackeret

Dass es im Gebälk der Schweizer Verlegerverbandes knarrt, war selbst für Taube unüberhörbar. Dass dieses beim ersten grossen Sturm, der Frage der Online-Förderung, so ins Wanken gerät, überrascht doch. Aber vielleicht haben Gilbert Bühler, CEO der Freiburger Nachrichten, und Christof Nietlispach, Verwaltungsratspräsident bei Freiämter Regionalzeitungen AG, mit der Gründung ihrer Interessengemeinschaft für kleinere und mittlere Verlage nur das gemacht, was in der Luft liegt: eine Interessengemeinschaft – wie der Name sagt – für ihre eigenen Interessen. Und da geht es vor allem um Geld, Bundesgeld. Wie sang Polo Hofer selig bereits vor vierzig Jahren: «Wägem Gäld, wägmä lumpigä Huufä Gäld.» Oder ein bisschen nobler ausgedrückt: Es geht um Online-Unterstützung.

«Trotzdem: Das Unbehagen der Klein- und Mittelverlage ist irgendwie nachvollziehbar.»

Das geplante Bundesgesetz über die Förderung der Online-Medien sieht finanzielle Zustüpfe vor – und dies nach einem mathematisch interessanten Schlüssel: Die grössten acht Verlage sollen von den vorgeschlagenen 30 Millionen Franken 54 Prozent erhalten. Dank Holdingklausel und degressiven Zahlmodells würden die rund 100 kleinen und mittleren unabhängigen Zeitungstitel mit einem Auflagenanteil von 23 Prozent einen Anteil von 46 Prozent erhalten. So weit so gut. Doch die Grossen sperren sich gegen diese Bevorzugung der Kleinen. Brisant, sowohl Bühler als auch Nietlispach sitzen im Präsidium des Verbandes Schweizer Medium, ihre IG-Gründung ist sozusagen ein Putsch von innen. Heroisch gesprochen: David gegen Goliath. Bühler umschreibt zwar sein Gebilde elegant als «Pop-up-Vereinigung», was den Vorteil hat, dass niemand so richtig weiss, was das ist, primär aber die Grossverleger besänftigen soll. Zudem soll es wohl implizieren, dass seine IG nicht für die Ewigkeit gedacht ist. Aber was dauert schon ewig – ausser Corona und – eben – die Diskussion um die Presseförderung?

Trotzdem: Das Unbehagen der Klein- und Mittelverlage ist irgendwie nachvollziehbar: Während sie – nicht zuletzt wegen Corona – an ihre finanzielle Grenzen stossen, müssen sie von den Zürcher Grossverlagen lesen, wie diese weitere TV-Sender gründen, teure Fussballrechte einkaufen, boomende Online-Dienste wie Ricardo besitzen oder Deutschlandstrategien für ihre Publikationen planen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, ob die viel beschworene Solidarität in einem heterogenen Gebilde wie dem Verband Schweizer Medien überhaupt funktioniert. Doch das ist nichts Neues: Einerseits sitzt bei der Bankiervereinung die mächtige UBS neben der Spar- und Leihkasse Bucheggberg. Andererseits – und das vergisst man gerade – sind es gerade die Grossen, die mit erheblichen finanziellen Mitteln Risiken in Kauf nehmen, um in neue Geschäftsfelder vorzustossen.

«Die SRG verfügt mittlerweile über das erfolgreichste Newsportal des Landes, und die amerikanischen Technologiemultis grasen weiter den Schweizer Werbemarkt ab.»

Ärgerlich ist nur, dass wegen der leidigen Medienförderungsdiskussion andere Politfelder in Vergessenheit geraten: Die SRG verfügt mittlerweile über das erfolgreichste Newsportal des Landes und bewirbt fast schon schamlos provokant ihre News-App, ohne dass jemand dagegen intervenieren würde. Auch die amerikanischen Technologiemultis Google und Facebook grasen weiter den Schweizer Werbemarkt ab, ohne dass es jemanden ernsthaft stört. Die Übersicht über die unterschiedliche Interessenlage der verschiedenen Medienhäuser dürfte in Bundesbern längst verloren gegangen sein. Aber dies ist in diesen sonderbaren Zeit Usus. Nur früher – aber das ist wohl eine nostalgische Verklärung – war unsere Branche noch stolz darauf, dass sie – im Gegensatz zur Landwirtschaft und der SRG – nicht auf Staatsbatzen angewiesen ist. In diesem Zusammenhang muss man dies zumindest erwähnen – aber dies nur in Klammer –, dass der Begriff «Presse- oder auch Medienförderung» irrtümlich ist. Ein bedeutender Teil der Medien wie beispielsweise die Gratiszeitungen oder viele Magazine erhalten keinen Rappen Unterstützung aus Bern und werden auch nie einen erhalten.

Nochmals zur IG für kleinere und mittlere Verlage. Wie ernst ihr Vorhaben genommen wird, zeigt sich darin, dass keine der grossen Zeitungen über ihre Gründung berichtete. Fairerweise muss man sagen: Die kleinen auch nicht. Vielleicht aus Angst vor dem eigenen Mut.

 



Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.

 

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

Zum Seitenanfang20240427